Freiburg (ots) - Ein Schüler der 7. Klasse knipst mit seinem Handy
zwei Mitschüler beim Duschen. Anschließend stellt er das Bild auf
Facebook aus und schreibt darunter: "Schwule Schwuchteln beim
Duschen." Einer von tausend vergleichbaren Fällen in deutschen
Schulen. Wer leugnen wollte, dass es da ein Homophobie-Problem gibt,
der lebt an der gesellschaftlichen Realität vorbei. Der Fairness
halber sei ergänzt: Der Junge wusste nicht oder nicht ganz, was er da
tat. Von seinen Eltern und von seinem Klassenlehrer zur Rechenschaft
gezogen erschrak er über sich selbst. Zwei Jahre später meldete er
sich im Religionsunterricht, als gerade das Thema Ehe und Familie auf
dem Lehrplan stand, und stellte ganz offen interessierte Fragen zum
Thema Homosexualität. Auch viele Erwachsene wissen anscheinend nicht,
worüber sie reden, wenn sie sich zu Homosexualität äußern. Es ist
erfreulich, dass sich die Kirchen von den Hetzparolen und
diffamierenden Blog-Einträgen distanziert haben, die seit der
vergangenen Woche die Petition gegen die Leitlinien für Lehrpläne in
Baden-Württemberg begleiten. Sie hätten vielleicht auch die
Online-Petition noch etwas kritischer unter die Lupe nehmen können,
damit sich auch diejenigen Katholiken und Protestanten repräsentiert
fühlen, die bei diesem Thema nicht nach HB-Männchen-Manier sofort in
die Luft gehen. Und natürlich hat es nichts mit Homophobie zu tun,
wenn man einige Punkte des vorgelegten Bildungsplans 2015 kritisch
sieht. Darüber wird in Ruhe zu reden sein. Die Landesverfassung und
das Schulgesetz nehmen Bezug auf das christliche Menschenbild. Der
Kern des christlichen Menschenbildes besteht in der Aussage, dass der
Mensch als Mann und Frau Gottes Ebenbild ist - also eine Würde hat,
die niemand ihm nehmen darf. Jesus berief sich auf dieses
Menschenbild, um die Entwürdigung der Frau in der patriarchalischen
Ehe zu bekämpfen. Entsprechend liegt der praktische Akzent beim
Hinweis auf das christliche Menschenbild, wenn man ihn auf die
aktuelle Debatte bezieht, darauf, dass auch homosexuellen Menschen
dieselbe Würde der Gottesebenbildlichkeit zugesprochen ist - und zwar
nicht nur theoretisch, sondern mit Konsequenzen für die Praxis, vom
Schutz vor Diskriminierung bis hin zur Anerkennung von Rechten. Der
eigentliche Skandal ist, dass das offensichtlich nicht
selbstverständlich ist. Es ist ekelhaft, wenn sich christlich
nennende Hetzer und Blogger von einem "christlichen Menschenbild"
sprechen, um Hass gegen Schwule, Lesben und Transsexuelle auszuüben.
"Worin du den anderen richtest, darin verurteilst du dich selbst"
(Röm 2,1). Entsprechend diesem Wort von Paulus wäre es christlich,
sich zu fragen: Wo trage ich das Diskriminierungsverbot gegen
Homosexuelle, das auch der Katholische Katechismus kennt (Nr. 2359),
zwar auf den Lippen, aber nicht im Herzen? Wo berufe ich mich auf
die Bibel, um Bestätigung zu finden, und wo vermeide ich den Blick
auf sie, weil sie mich in Frage stellt? Das Ideal der Ehe zwischen
Mann und Frau ist nicht in Gefahr. Alle Studien belegen, dass für das
Gros der Jugendlichen Ehe und Familie höchste Attraktivität
besitzen. Das Ideal ist nicht durch die Tatsache gefährdet, dass
Scheidungsraten gestiegen sind. Wer in der Schule mit Kindern und
Jugendlichen zu tun hat, der weiß, dass die allermeisten Trennungen
mit großen Schmerzen verbunden sind. Wenn gleichgeschlechtliche Paare
sich dem Ideal der Treue und zu verbindlicher Unterstützung
gegenseitig verpflichten, dann kann das nur im Sinne der Schrift
sein. Die Frage nach Kindern in gleichgeschlechtlichen Beziehungen
muss vom Kindeswohl her bedacht werden - was auch für Kinder aus der
Ehe zwischen Mann und Frau gilt. Mit alledem sind Lehrer und Erzieher
befasst. Wenn man die konkreten Menschen und Schicksale vor Augen
hat, wird man behutsamer in Ton und Inhalt. Es gibt nur wenige
Themen, bei denen so viel gelogen und geschummelt wird wie beim Thema
Sexualität und Sexualpädagogik. Das sollten sich alle sagen lassen,
die den Mund so voll nehmen. Nur wenn ein jeder vor seiner eigenen
Haustür kehrt, kann er auch - jedenfalls im Geist des Evangeliums -
über diese Themen sprechen. Als Lehrer oder Erzieher entrinnt man
ihnen nicht. Deswegen sollten wir jetzt die Gelegenheit nutzen, dass
sie auf der Tagesordnung stehen. Die Jugendlichen haben einen
Anspruch darauf.
- Pater Klaus Mertes ist Direktor des Jesuitenkollegs St-Blasien.
Von 2000 bis 2011 leitete er das Jesuitengymnasium
Canisius-Kolleg in Berlin.
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