«Schweizer Aktien haben Aufholpotenzial»

Adrian Scherer*: Die Politik der Zentralbanken: Letzte Woche kündigte die EZB eine grundsätzliche Verlängerung des Obligationen-Kaufprogrammes bis Ende 2017 an und bestärkte die Anleger in ihrer unbekümmerten Haltung. Diese Sorglosigkeit zeigt sich auch in der weiteren Rückbildung der Volatilitäten und ist meines Erachtens wegen der zahlreichen Unsicherheitsfaktoren nicht ungefährlich. Diese Woche tagt das Fed und es wird mit einer weiteren Zinserhöhung um 25 Basis Punkte gerechnet.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Insbesondere durch den Rückgang der Credit Spreads hat sich die Bewertung des SMI verbessert. Zusätzlich besteht auf Grund der enttäuschenden Entwicklung im 2016 - sowohl absolut als auch relativ zu den Weltmärkten - Aufholpotenzial. Bekanntlich wird der SMI stark durch Nestlé, Roche und Novartis geprägt, wo ich aber kurzfristig keinen Auslöser für signifikant höhere Kurse sehe. Ich erwarte daher kein Kursfeuerwerk, aber eine gut gehaltene Börse mit freundlichem Unterton.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Eine attraktive Bewertung gepaart mit einem Gewinnwachstum im mittleren einstelligen Bereich lassen grundsätzlich höhere Kurse erwarten. Herausforderungen sehe ich aber seitens der Politik und insbesondere der Geldpolitik. Die USA werden die Zinsen in den kommenden Jahren weiter erhöhen, was nebst den amerikanischen auch die internationalen Finanzmärkte beeinflussen wird. Zusammenfassend sehe ich einen anhaltenden Seitwärtsmarkt im Bereich von 7500 bis 8500 Punkten.

Wovon wurden Sie jüngst positiv oder negativ überrascht?
Um die Abflüsse aus der chinesischen Währung zu stoppen haben Berater eine Abwertung des Renminbi um 20% empfohlen. Sollte diese Empfehlung umgesetzt werden, so stünde uns ein Handelskrieg bevor. Trump würde meine Erachtens mit Handelszöllen und ähnlichen Mitteln reagieren, was den Welthandel und schlussendlich das Weltwirtschaftswachstum negativ beeinflussen würde.

Von welchem Investment müssen Anleger die Finger lassen?
Nach einer starken Kursentwicklung während den vergangenen Jahren haben Schweizerische Immobilienfonds - gemessen am SXI Real Estate Index - seit Juli 2016 rund 5% nach unten korrigiert. Dieser Kursrückgang stellt meines Erachtens keine Kaufgelegenheit dar, da einerseits die Prämien weiterhin recht hoch sind und andererseits die Zinssensitivität nicht unterschätzt werden darf.

Wie geht es weiter beim Ölpreis?
Dem Ölpreis machen die Überkapazitäten eindeutig zu schaffen. Viele rechnen damit, dass sich die Notierung infolge der Produktivitätssteigerungen pro Ölquelle und technologischen Fortschritten von der Ölförderplattform bis zum Verkauf auf dem aktuellen Niveau stabilisiert. Die Ölmärkte geben jedoch inzwischen ein ausgewogeneres Bild ab, sieht man einmal von der OPEC-Geschichte ab. Dies legt uns nahe, dass die Ölpreise in den nächsten Jahren steigen werden, da sich die Investitionskürzungen der Vergangenheit angesichts einer relativ stabilen und zunehmenden Nachfrage rächen werden.

Ihr Geheimtipp am Aktienmarkt?
Seit Juli 2015 haben Novartis von über 100 Schweizer Franken auf inzwischen weniger als 70 korrigiert. Die diversen Herausforderungen werden angegangen und reflektieren sich im tiefen KGV von rund 14 mal für 2017. Bis die Medizin wirkt, ist natürlich Geduld gefragt, wobei aber die Wartezeit mit einer Dividendenrendite von 4% versüsst wird.

*Adrian Scherer, CFA, ist Anlagestratege des unabhängigen Vermögensverwalters Limmat Wealth in Zürich.