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Börsenausblick 14.11.2016 06:45:00

"Überreaktion eröffnet Chancen für Aktienanleger"

Anja Hochberg bewertet Schweizer Aktien im internationalen Vergleich als attraktiv. Die Anlageexpertin der Credit Suisse ist neben der Schweizer Börse auch bullish für den australischen Markt. Zuversichtlich ist sie kurzfristig auch für den Ölpreis.

Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?

Anja Hochberg*: In den letzten Tagen waren die Finanzmärkte hauptsächlich von den US-Präsidentschaftswahlen geprägt. Die unerwartete Wahl von Donald Trump schickte die globalen Finanzmärkte vorerst auf Talfahrt. Wir schätzten diese Korrektur als Überreaktion ein und neutralisierten als Folge unsere bis dato negative Einschätzung von globalen Aktien. In der Tat haben sich die Märkte anschliessend recht schnell wieder erholt. Die Unsicherheit über das Ausmass der politischen Trendwende in den USA, aber auch die Frage nach dem Stimulierungsgrad seiner geplanten Infrastrukturmassnahmen dürften auch weiterhin die Finanzmärkte beschäftigen. Kurzfristig geraten aber der italienische Premierminister Renzi und sein Verfassungsreferendum von Anfang Dezember in den Fokus. Zudem schauen die Finanzmärkte im Dezember wieder auf die Fed, die unseres Erachtens durchaus überraschen könnte.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Wir erwarten weiterhin, dass Schweizer Aktien den Gesamtaktienmarkt auf Sicht von drei bis sechs Monaten outperformen. Schweizer Valoren sind attraktiv bewertet und bieten in einem volatilen Umfeld eine allgemein defensive Ausrichtung. Wir haben zudem eine Präferenz für den Gesundheitssektor, der eine hohe Gewichtung im Schweizer Aktienmarkt ausmacht. Den SMI sehen wir in drei Monaten bei einem Indexstand von 8000 Punkten und in zwölf Monaten bei 8300 Punkten.

Wo sehen Sie Chancen?
Auf Sicht von drei bis sechs Monate haben wir inzwischen unsere negative Einschätzung von globalen Aktien geschlossen und schätzen diese nun neutral ein. Innerhalb des Titeluniversums bevorzugen wir weiterhin die Schweiz und Australien. Allerdings haben wir unsere positive Einschätzung von Schwellenländeraktien taktisch auf neutral abgeändert, da sie unserer Meinung nach anfällig sind für Risiken ausgehend von Donald Trumps zukünftiger Aussenpolitik. Anleihen gewichten wir insgesamt neutral, bevorzugen aber weiterhin Finanzanleihen und Schwellenmarktanleihen in Hart- und Lokalwährung. Im Rahmen von alternativen Anlagen sind wir optimistisch für Hedge Funds - vor allem Stile mit niedrigem Marktbeta - und japanische REITs.

Von welchem Investment müssen Anleger die Finger lassen?
Um eine hohe Portfoliodiversifikation zu erreichen, die besonders in den aktuellen Zeiten hoher Korrelationen zwischen Assetklassen wichtig ist, raten wir nicht von einzelnen Klassen absolut ab, sondern würden diese eher untergewichten. Innerhalb von Aktien sehen wir die Eurozone eher schwach. Zudem schätzen wir Schweizer Immobilienaktien und britische REITs negativ ein. Bei den Rohstoffen erwarten wir eine schwache Preisentwicklung von Industriemetallen.

Wie geht es weiter beim Ölpreis?
Der Ölpreis hat in den letzten Wochen wieder nachgegeben, nachdem die Hoffnungen der Markteilnehmer auf eine Begrenzung der Ölfördermenge durch die OPEC geschwunden sind. Da wir aber einen voranschreitenden Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage am Gesamtmarkt sehen, schätzen wir diesen Preiseinbruch als übertrieben ein. Wir haben deshalb auf kurzfristige Sicht weiterhin eine positive Einschätzung von Öl. Allerdings könnte der Fokus von Donald Trump auf fossile Energien nach dem kurzfristig positiven Effekt mittelfristig zu einem höheren Angebot führen und damit den Ölpreis belasten.

Lohnt es sich, aktuell in Gold zu investieren?
Infolge der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hat sich aufgrund der politischen Unsicherheiten der Goldpreis kurzfristig stark erhöht, gab dann aber noch am selben Tag seine Gewinne fast vollständig wieder ab. Wir schätzen die drei- bis sechsmonatige Entwicklung von Gold neutral ein. Auf der einen Seite unterstützen die politischen Unsicherheiten durch Trump, Brexit und bevorstehende politische Wahlen in Europa den Goldpreis. Auf der anderen Seite würde eine Zinserhöhung der Fed sowie ein stärkerer Dollar den Goldpreis belasten. Zudem ist der Goldpreis anfällig aufgrund der anhaltenden Schwäche der Primärnachfrage.

Kann sich der Franken noch weiter abschwächen?
Zum Euro dürfte sich der Franken in den nächsten Monaten mehrheitlich seitwärts bewegen. Allerdings sind auf lange Sicht Aufwertungsschübe des Frankens möglich geworden, da die SNB ihre wachsende Bilanz mit Unbehagen betrachtet. Trotzdem zeigte sie sich nach der US-Präsidentschaftswahl gewillt, eine zu starke Frankenaufwertung mit Interventionen am Währungsmarkt zu vermeiden. Im Vergleich zum Dollar könnte der Franken stärker schwanken. In den nächsten zwölf Monaten dürfte die Geldpolitik allerdings wieder zugunsten des Dollars auseinanderdriften, da die Inflation aufgrund der anhaltenden Verbesserung der Arbeitsmarktlage und des Lohnwachstums leicht anzieht.

*Dr. Anja Hochberg ist Chief Investment Officer für die Region Schweiz und Europa bei der Credit Suisse und verantwortet darüber hinaus auf globaler Ebene den Bereich Investment Services. Sie arbeitet seit 2001 für die Schweizer Grossbank. Anja Hochberg hat Wirtschaftsgeschichte, Volkswirtschaft, Rechtswissenschaft sowie «International Economics» studiert.

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