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Schwarzer Schwan 12.11.2015 15:54:46

ETF-Anleger fürchten sich vor Kurskapriolen

Wegen hohen Kursverwerfungen von börsengehandelten Indexfonds (ETF) fürchten sich Anleger vor systemischen Risiken an den Finanzmärkten - eine Spurensuche und wichtige Verhaltensregeln im Umgang mit ETFs.

Von Jürgen Büttner

Der 24. August dürfte in den Börsen-Geschichtsbüchern einen besonderen Platz auf sicher haben. Verantwortlich dafür ist allerdings nicht der SMI-Tagesverlust von 3,75 Prozent - das Minus betrug in der Spitze sogar 7,3 Prozent. Nein, erinnerungswürdig bleibt dieser Handelstag vielmehr wegen der Ereignisse an der Wallstreet, wo der Dow Jones Industrial Average mit 1089 Punkten kurzzeitig den grössten Punktverlust aller Zeiten verbuchte.

Doch selbst das wurde in den Schatten gestellt von den Kurskapriolen bei einigen börsengehandelten Exchange Traded Funds, kurz ETF. Ein viel beachtetes Produkt dieser Kategorie, der iShares Core S&P 500, sackte phasenweise um 26 Prozent ab. Beim Guggenheim S&P 500 Equal Weight ETF fielen die zeitweisen Kursverluste mit minus 43 Prozent noch grösser aus. Diese hohe Abweichung vom inneren Wert - also der Unterschied des Börsenwertes eines ETF vom jeweiligen Index - sorgt bei Anlegern für Gesprächsstoff. Denn wie der Name schon sagt, sollen Indexfonds lediglich die Indexentwicklung nachvollziehen, auf die sie sich beziehen, sprich sich im Gleichklang mit dem Basiswert bewegen. Der Handelsverlauf am 24. August hat diese Annahme aber spürbar erschüttert. Denn kurzzeitig führten passive Indexfonds plötzlich ein sehr aktives Eigenleben.

MEHRERE FAKTOREN

Rückblickend erklären Experten die Kursverwerfungen mit mehreren Einflussfaktoren. Allgemein ging an jenem Montag grosser Kursdruck von den Sorgen rund um die Verfassung der chinesischen Wirtschaft aus. Der Shanghai Composite Index war deswegen um 8,5 Prozent abgestürzt. Die besonders starken Ausreisser bei den ETF werden dagegen mit dem Inkrafttreten einer Börsenvorschrift in den USA zurückgeführt. Die "Rule 48" sieht vor, dass die Market Maker anders als zuvor vorbörslich keine Kurse mehr stellen müssen. Dies hatte die Unsicherheit zusätzlich erhöht.

Eine grosse Rolle spielte gemäss Dave Nadig, ETF-Director beim Finanzdatenanbieter FactSet Research Systems, ausserdem der automatisierte Hochfrequenzhandel sowie Stopp-Loss-Aufträge, die nach Auslösung den Abwärtssog verstärkten. Wie chaotisch es zuging, belegen die rund 1300 Handelsstopps dieses Tages. Etwa 80 Prozent davon betrafen ETF, wobei die Handelsstopps ebenfalls kritisch gesehen werden, weil sich so die Kurse nur zeitverzögert an den fairen Wert annähern konnten.

STRAMMER WACHSTUMSKURS

Nach 45 Minuten hatte sich das Geschehen zwar wieder einigermassen beruhigt, trotzdem unterminieren solche Turbulenzen den Glauben an einen effizienten ETF-Handel. Zumal solche Blitz-Kurseinbrüche immer wieder einmal auftreten. Prominentestes Beispiel war der 6. Mai 2010, als der Dow Jones binnen sechs Minuten beinahe 1000 Punkte verlor. Bereits damals wurde die Rolle, die ETF bei dieser Anomalie möglicherweise spielten, kritisch hinterfragt. Institute wie der IWF wiesen in diesem Zusammenhang immer wieder auf eventuell bestehende systemische Risiken hin. Diese Bedenken dürften nach den jüngsten Ereignissen nicht kleiner geworden sein, zumal das ETF-Segment immer grösser wird.

Gemäss einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers hat sich das weltweit in ETF verwaltete Vermögen in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt. Drei Viertel der befragten Branchenvertreter rechnen bis 2020 mit einer weiteren Verdoppelung von 2,6 Billionen Dollar auf 5 Billionen.

NORDAMERIKA DOMINIERT ETF-MARKT

Die klar dominierende ETF-Region ist Nordamerika, der Marktanteil am weltweiten Geschäft beträgt mehr als 70 Prozent. Die Volumen wachsen in Europa zwar ebenfalls stark, doch im Vergleich zu den USA sind die verwalteten Gelder bescheiden (siehe Grafik Seite 27). Auf einen weiteren kontinentalen Unterschied weist Thomas Merz, Leiter ETF Europe bei der UBS, hin: "Die Situation in den USA ist nicht zu vergleichen mit der in Europa. So sind in den USA Handelsregeln inklusive Handelsstopps weitgehend unsynchronisiert. Das heisst, dass für unterschiedliche Instrumente wie Futures, Derivate, Einzelaktien und ETF keine genau harmonisierten Regeln gelten oder angewandt werden. So waren ETF zum Teil zu einem anderen Zeitpunkt vom Handel ausgesetzt als die korrespondierenden Absicherungsinstrumente."

Als Konsequenz daraus seien unterschiedliche Kursfeststellungen bei ETF und Index-Futures alles andere als erstaunlich. Merz erkennt keine Mitschuld von ETF an den Marktverwerfungen der jüngeren Vergangenheit. Als Beleg weist er auf die Grössenverhältnisse zwischen der Marktkapitalisierung aller gehandelten Vermögenswerte sowie den in ETF angelegten Gelder hin. "Per Ende September 2015 waren auf globaler Ebene knapp über 2,6 Billionen Dollar in ETF investiert gewesen. Das entspricht lediglich einigen Prozent der weltweit gehandelten Vermögenswerte." Nicht anders verhalte es sich in der Schweiz, die zu den drei grössten ETF-Märkten in Europa zählt. Auch hierzulande seien ETF gemessen an den verwalteten Vermögen aktuell kaum in der Lage, direkt eine preisbeeinflussende Wirkung auf den Gesamtmarkt zu entfalten. Entschärfend wirkt auch, dass die meisten ETF voll repliziert werden und nicht Swap-basiert sind.

NEUE REGELN ABSEHBAR

Die Behörden sehen das allerdings kritischer und selbst grosse ETF-Anbieter wie Marktführer Blackrock haben Diskussionen darüber angestossen, wie der Handel mit ETF sicherer gemacht werden kann. Nachdem auch die US-Börsenaufsicht SEC Reformbedarf am ETF-Markt sieht, wäre es alles andere als überraschend, wenn demnächst neue Vorschriften erlassen würden. Diese könnten das Handelsumfeld ebenso betreffen wie allgemein die Regularien und das Zulassungsprozedere.

Bei rund 1700 in den USA zugelassenen ETF stellt sich ohnehin die Frage, ob alle diese Produkte tatsächlich noch dem Ursprungsgedanken dienen, Finanzmärkte kostengünstig eins zu eins nachzubilden. Bei den angebotenen Hebelund Short-Varianten darf das bezweifelt werden.

VERHALTENSREGELN

Unabhängig von geplanten Reformen sollten Privatanleger einige Verhaltensregeln im Umgang mit ETF befolgen. Risiken lauern unter anderem bei der Orderplatzierung. Speziell in volatilen Märkten sollte mit Kauf- und Verkaufslimiten operiert werden. Ali Masarwah, Chefredaktor beim Fondsanalysehaus Morningstar, rät zudem zu Folgendem. "Eher in der Mitte eines Handelstages agieren, weil dann die Spreads tendenziell geringer sind, möglichst dann handeln, wenn die Börse offen ist, an welcher der Basiswert gehandelt wird, und genau auf die Liquidität des Basiswertes und die Qualität der Ausführung am jeweiligen Marktplatz achten."

Ebenfalls ratsam ist es, den inneren Wert eines ETF mit dem Börsenkurs zu vergleichen. Generell gilt: Passive Indexfonds eignen sich vor allem als Instrumente für Langfristanlagen. Wer das beherzigt, wird auch an turbulenten Tagen wie dem 24. August 2015 nicht nervös und vermeidet kostspielige Fehler.

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