Experten-Kolumne |
10.09.2015 15:15:23
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Brasilien ist kein hoffnungsloser Fall
Kolumne

Brasilien wird häufig als "Land der Zukunft" bezeichnet - einer Zukunft, die leider nie einzutreffen scheint. Zurzeit ist es Mode, Brasilien schlecht zu machen, ich werde dies jedoch unterlassen und mich stattdessen auf die - aus einer Fixed-Income-Perspektive - positiven Seiten konzentrieren.
Wir sind weit entfernt davon, eine optimistische Haltung in Bezug auf die brasilianische Wirtschaft einzunehmen. Vielmehr erwarten wir für 2015 einen Wachstumsrückgang und für 2016 ein flaches bis flaues Wachstum, mit schwacher Konsumentenstimmung und steigenden Arbeitslosenzahlen.
Auch wenn wir die Ansicht teilen, dass die Aussichten für brasilianische Aktien in naher Zukunft düster bleiben, glauben wir, dass die Staatsanleihen heute Wert bieten.
Gründe, die für Brasilien sprechen
Die brasilianischen Zinssätze lagen bei 13,75 % und wurden erst am 29. Juli auf 14,25 % angehoben. Bei einer Inflation von aktuell um die 8,9 % ergibt dies eine effektive Rendite von rund 5,25 %. Sollte die Inflation gemäss dem Analystenkonsens auf Bloomberg auf die von der Regierung angepeilte Obergrenze fallen, d. h. auf 6%, können wir mit einer Senkung der Zinssätze in der brasilianischen Volkswirtschaft rechnen. Der Markt hat bei Anleihen mit dreijähriger Laufzeit, die eine Rendite von 13,2 % ausweisen, Zinssenkungen bereits eingepreist. Zum Vergleich: ein Emittent mit "Single B"-Rating wie Kenia weist Basissätze von 11,5 % und eine Inflation von 7 % aus, was einer effektiven Rendite von 4,5 % entspricht. Brasilien ist nach wie vor ein Land mit "Investment Grade"-Rating und über 360 Mrd. USD an Fremdwährungsreserven.
Ich denke nicht, dass Präsidentin Dilma Rousseff wegen Vergehen im Amt angeklagt wird. Der Finanzminister Joaquim Levy hat sich die Durchführung von Reformen auf die Fahne geschrieben und hat die volle Unterstützung der anderen Parteien. Wir erleben deshalb nicht nur dringend notwendige Reformen, sondern die nächste Regierung dürfte - angesichts der Zustimmungsraten von Dilma Rousseff und ihrer Partei - mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine stärker marktorientierte Regierung sein.
Viele schlechte Nachrichten bereits eingepreist
Da Brasilien ein Land mit einem Zwillingsdefizit (Haushaltsdefizit der Regierung und Leistungsbilanzdefizit) ist, erwarten wir, dass die Währung angesichts steigender US-Zinssätze auch künftig schwach/volatil bleiben dürfte. Wir wären deshalb aktuell nicht besonders erpicht darauf, Positionen in brasilianischem Real zu halten. Allerdings wird der Real irgendwann ein Niveau erreichen müssen, auf dem er sich stabilisiert. Viele schlechte Nachrichten sind bereits eingepreist und der effektive Wechselkurs des Real bewegt sich heute wieder auf dem Niveau von 2005.
Wir erwarten deshalb, dass angesichts derart hoher effektiver Renditen im Angebot beim derzeitigen Leistungsbilanzdefizit eine Kehrtwende einsetzen sollte. An der Haushaltsdefizit-Front sind Kräfte aktiv, die sich der Senkung der Regierungsausgaben und dem Abbau von Subventionen für Treibstoff und Elektrizität verschrieben haben. Gegen die BNDES (Entwicklungsbank in staatlicher Hand) wurde kürzlich eine Untersuchung eingeleitet, zudem ist sie das Ziel von Reformen. Mit dem Doppelhammer von aggressiven Zinserhöhungen und BNDES-Reformen sollte sich das Kreditwachstum in der Wirtschaft zu verlangsamen beginnen, da ein grosser Teil davon von der BNDES gesteuert wurde.
Schwache Wachstumsaussichten
Obschon die Inflation zeitweise in die Höhe geschossen ist, rechnet der Inflationskonsens für Brasilien gemäss Bloomberg für die nächsten zwei Jahre mit einer Inflation innerhalb des von der Regierung angestrebten Zielbandes für 2016 und 2017. Mit derart schwachen Wachstumsaussichten und Bedingungen, die einem Stopp des Kreditzuwachses zuträglich sind, ist die Wahrscheinlichkeit von Nachfragetreibern für die Inflation gleich Null und Überraschungen in Sachen Inflation dürften von der Angebotsseite her kommen. Die Exporte und Importe zusammen entsprechen nur gerade knapp 30 % des BIP des Landes, womit die brasilianische Volkswirtschaft relativ geschlossen ist. Wir sollten deshalb nicht damit rechnen, dass allfällige künftige Währungsschwächen einen bereinigenden Effekt auf die Inflation haben werden.
Alles in allem präsentiert sich die Situation auf kurze Sicht keineswegs grossartig, auf lange Sicht besteht jedoch Grund, optimistischer zu sein. Negativschlagzeilen aufgrund der anhaltenden Korruptionsskandale haben möglicherweise einen grösseren Effekt auf das Sentiment, als gerechtfertigt ist. Verlieren wir also nicht die Tatsache aus den Augen, dass es trotz der kurzfristigen Störgeräusche eine positive Entwicklung ist, wenn der früheren Kultur des mit Straffreiheit verbundenen Amtsmissbrauchs ein Ende gemacht wird.
Carl Shepherd, Fixed Income Manager bei Newton (BNY Mellon)
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.
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