01.04.2020 15:14:34
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Schroders: Das Coronavirus wird eine "schwere" Rezession auslösen
Chefvolkswirt
Das Coronavirus ist gerade dabei, sich verheerend auf die globale Wirtschaftsaktivität auszuwirken. Vor dem Hintergrund einer beträchtlichen Unsicherheit haben wir daher versucht, diese Auswirkungen zu erfassen, und unsere Prognosen entsprechend aktualisiert.
Wir gehen jetzt davon aus, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr um 3,1 % schrumpft, bevor sie 2021 wieder um 7,2 % anziehen wird.
Diese Prognose beinhaltet eine schwere Rezession in der ersten Hälfte des Jahres, die selbst bei einer Erholung in der zweiten Hälfte dazu führt, dass 2020 wohl das schlechteste Jahr für die Wirtschaft seit den 1930er-Jahren werden dürfte.
Auch wenn es erhebliche Unterstützung seitens Zentralbanken und Regierungen gibt, so reflektiert der dramatische Abschwung die Auswirkungen einer weitgehenden Stilllegung der Wirtschaft durch die Behörden in dem Versuch, die Ausbreitung des Virus zu unterdrücken.
Einen Hinweis auf das Ausmass liefern bereits die jüngsten Daten aus China, wo in der Zeit, in der sich die Wirtschaft zu einem Grossteil in "Quarantäne" befand, die Einzelhandelsumsätze um 20 % und die Anlageinvestitionen um 25 % gesunken sind.
Diese Zahlen decken sich mit den Hochfrequenzdaten, und gemäß unserem Aktivitätsindikator für China ist die dortige Wirtschaftsleistung im ersten Quartal geschrumpft. Während die offiziellen Zahlen ein anderes Bild zeichnen mögen, liefern diese Daten einen Anhaltspunkt dafür, was andernorts zu erwarten ist.
Einbruch der globalen Wirtschaftsaktivität erwartet
Quelle: Schroders Economics Group, Stand: 19. März 2020.
Glücklicherweise hat sich die Zahl der neuen Covid-19-Fälle in China kaum noch erhöht. Europa und die USA befinden sich allerdings noch an einem früheren Punkt der Kurve.
Unsere Grundannahme ist, dass diese Regionen nun einen ähnlichen Prozess von Schliessungen und Einschränkungen bei der Bevölkerungsmobilität durchlaufen werden, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.
Dies wird im zweiten Quartal die Wirtschaftsaktivität in den USA und Europa empfindlich belasten, mit Rückgängen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwischen 10 % und 20 % (nicht annualisiert).
Solche Zahlen hat es in den Nachkriegsvolkswirtschaften bisher kaum gegeben, schwankt das BIP doch normalerweise lediglich zwischen 1 % und 2 %.
Währungshüter und die Politik als Retter?
Wir haben die jüngsten Entwicklungen in der Geld- und Fiskalpolitik weltweit und die Erwartung, wonach weitere Massnahmen in diesen beiden Richtungen folgen werden, berücksichtigt.
Die geld- und fiskalpolitischen Massnahmen erachten wir als Sicherheitsnetz, um die Folgen für die Wirtschaft abzufedern und den Schaden durch den Rückgang zu begrenzen.
In diesem Zusammenhang ist es unabdingbar, dass das Finanzsystem die Unternehmen und Privathaushalte weiter mit Liquidität versorgt, damit diese den Auswirkungen, die der Aktivitätseinbruch auf den Geldfluss hat, standhalten können.
Andernfalls wird eine vorübergehende Belastung zu einem dauerhaften Schaden auf der Angebotsseite der Wirtschaft führen. Wenn Unternehmen auf breiter Ebene zusammenbrechen, wird es nicht mehr viel geben, worauf die wirtschaftliche Erholung aufbauen könnte.
Insofern sind niedrigere Zinsen weniger wichtig als Massnahmen, mit denen sichergestellt wird, dass Banken das Vertrauen haben, Kredite zu vergeben (anstatt Zwangsvollstreckungen gegen Kreditnehmer zu betreiben), und die Commercial-Paper- und Kreditmärkte liquide bleiben.
Die Schritte der Bank of England im Verbund mit staatlichen Kreditgarantien und Maßnahmen zur Liquiditätsentlastung, wie etwa die Aussetzung der gewerblichen Grundsteuer ("business rate"), erweisen sich in Grossbritannien allesamt als hilfreich.
Ein umfassenderer Einsatz der Fiskalpolitik, wie zum Beispiel der Plan von US-Präsident Trump, wonach alle Haushalte mit niedrigerem oder mittlerem Einkommen eine Einmalzahlung von 1000 USD erhalten sollen, ist ebenfalls hilfreich, um den Konsum angesichts des unvermeidlichen Anstiegs der Arbeitslosigkeit zu unterstützen.
Wir erwarten, dass die in den USA und Europa ergriffenen Massnahmen zur Infektionseindämmung den erhofften Effekt haben werden. Dies und ein saisonaler Rückgang der Viruserkrankungen im Sommer dürften dafür sorgen, dass sich die Wirtschaft kräftig erholt, wenn die Menschen im dritten Quartal zur Arbeit zurückkehren.
Die geld- und fiskalpolitische "Bazooka" wird dann im Zuge anhaltend niedriger Zinsen, weiterer Steuersenkungen und erhöhter Staatsausgaben breit zum Tragen kommen.
2021 rechnen wir mit einem weltweiten Wirtschaftsboom, auf den die globale Geldpolitik mit einer leichten Straffung reagieren dürfte.
Risiken bleiben
Rückkehr des Coronavirus?
Jede Prognose ist im aktuellen Umfeld mit einer besonders hohen Unsicherheit verbunden, da wir die weitere Entwicklung eines Virus vorwegnehmen müssen.
Wie jüngste Arbeiten von Warwick McKibbin und Roshen Fernando vom National Bureau of Economic Research deutlich machen, sind die unterschiedlichsten Szenarien denkbar, wobei sich je nach Ausbreitung des Virus die Todeszahlen auf bis zu 68 Millionen belaufen könnten.
Analysen unserer Data Insights Unit zeigen ebenfalls, wie unterschiedliche Reinfektionsraten zu jeweils ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen können.
Im Augenblick besteht vor allem das Risiko, dass das Virus zurückkehrt, sobald die Beschränkungen aufgehoben sind.
Um ein solches Ergebnis zu verhindern, lautete die ursprüngliche Strategie der britischen Regierung, das Virus sich ausbreiten zu lassen und so eine "Herdenimmunität" in der Bevölkerung zu erzeugen.
Angesichts der damit verbundenen Risiken wurde diese Idee mittlerweile fallen gelassen, und Großbritannien folgt nun mit Schulschließungen und Bewegungseinschränkungen dem übrigen Europa.
Das Risiko einer Rückkehr des Virus ist dadurch jedoch grösser - mit dem Ergebnis, dass die Weltwirtschaft damit rechnen muss, im weiteren Jahresverlauf erneut in Quarantäne zu gehen.
Die Folge wäre ein Rückfall in die Rezession - ein "Double Dip". Ein ähnliches Ergebnis wäre zu erwarten, wenn die Infektionsraten nicht saisonbedingt zurückgingen.
Euro-Krise 2.0
Das zweite Risiko besteht darin, dass die Krise die grundlegenden Schwächen der Weltwirtschaft offenbart. Wie Warren Buffett einmal sagte: Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer nackt schwimmt.
Dies mag angesichts der Versprechen, alles Notwendige zu tun, pessimistisch klingen. Doch wie nach der Weltfinanzkrise nur zu deutlich erkennbar war, werden gerade durch eine stark rückläufige Wirtschaftsaktivität Schwächen offengelegt.
In Grossbritannien haben bereits einige schwächere Unternehmen das Handtuch geworfen. Noch beunruhigender wäre eine erneute Krise in der Eurozone, wo das am meisten betroffene Land - Italien - zugleich die prekärste Finanzsituation aufweist.
Es wird erhebliche Defizitüberschreitungen geben, und Ambitionen für die Art von Sparmassnahmen, die nach der letzten Krise von der EU verhängt wurden, lassen sich derzeit nur schwer erkennen. Die Rezession wird eine grosse Herausforderung für die Eurozone darstellen, vor allem wenn sie länger andauern sollte.
Die hierin geäusserten Ansichten und Meinungen stammen von dem Autor und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar. Diese können sich ändern.
Lesen Sie mehr unter Schroders Insights - https://www.schroders.com/de/ch/asset-management/insights/
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