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Expertenkolumne 12.10.2023 09:06:59

Arbeiten im Alter wird bestraft

Arbeiten im Alter wird bestraft

Der Fachkräftemangel bremst die wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz. Pensionäre zum beruflichen Wiedereinstieg zu ermutigen, wäre Pflicht. Doch die Steuerämter bestrafen die, die weiterarbeiten.

Der Fachkräftemangel ist ein echtes Problem. Es scheint keinen Tag zu geben, an dem in den Medien nicht darüber berichtet wird. Und die Situation verschärft sich. Die Generation der Babyboomer verabschiedet sich in den Ruhestand und als Folge fehlen der Wirtschaft noch mehr Arbeitskräfte. Gemäss Hochrechnungen handelt es sich um zehntausende Personen. Viele Arbeitgebende haben das Problem erkannt und greifen nun vermehrt auf bereits pensionierte Mitarbeitende zurück. Wertvolles Fachwissen, welches bereits verloren gegangen schien, kann so unter Umständen nochmals für eine gewisse Zeit zurückgewonnen werden.

Der Trend, nach der Pensionierung nochmals eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, zeigt stark nach oben. Ab dem Zeitpunkt des beruflichen Wiedereintritts nach der ordentlichen Pensionierung zählen diese Personen allerdings zum elitären Kreis der Dreifachverdiener. Sie zahlen nun Steuern auf das Einkommen aus AHV und Pensionskasse. Zusätzlich fallen selbstverständlich auch Steuern auf das neue Erwerbseinkommen an. Erschwerend hinzu kommt, dass die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten kleiner sind als vor der Pensionierung. So steigt die Steuerbelastung auf ein Niveau, das das Weiterarbeiten unattraktiv macht - nett ausgedrückt.

Stop & Go der BVG-Rente

Aber es gäbe eine einfache Möglichkeit diesen Missstand zu beheben. Denn viele erwerbstätige Pensionierte können mit dem neuen Einkommen und der AHV-Rente das Haushaltsbudget bestreiten und deshalb auf die Rente aus der Pensionskasse vorübergehend verzichten. Warum also nicht die Altersrente während dieser Zeit der erneuten Erwerbstätigkeit sistieren, um diese dann nach der endgültigen Pensionierung wieder zu beziehen? Diese «Stop & Go»-Möglichkeit hat den Vorteil, dass die Steuerstrafe in der Zeit der Erwerbstätigkeit nach der Pensionierung tiefer ausfallen würde. Da die Altersrente für einige Monate oder sogar Jahre aufgeschoben wird, erhalten die Betroffenen nach Wiederauslösung der aufgeschobenen Altersrente zusätzlich einen attraktiveren Umwandlungssatz und als Folge eine höhere Rente als vor der Sistierung.

Obwohl während der Zeit des beruflichen Wiedereintritts keine BVG-Rente ausbezahlt wird, lohnt sich der Aufschub gemäss Modellrechnungen - vor allem dank den Steuereinsparungen, ebenso wie dem höheren Umwandlungssatz auf der sistierten Altersrente. Betroffene würden also doppelt profitieren.

Um den Steuereffekt genauer zu beziffern, folgt hier ein Beispiel mit einem verheirateten Paar, wohnhaft in Zürich:

Vor der Pensionierung erzielte das Ehepaar ein steuerbares Einkommen von CHF 89'000 und bezahlte dafür einen jährlichen Steuerbetrag von CHF 10'500. Nach der Pensionierung mit der AHV- sowie Pensionskassenrente reduziert sich der Steuerbetrag auf CHF 8’500 pro Jahr.

Sollte nun ein Ehepartner nach der Pensionierung die Erwerbstätigkeit für ein Jahr mit einem AHV-Lohn von CHF 110'000 nochmals aufnehmen, erhöht sich die Steuerbelastung um CHF 25'000 auf extreme CHF 33'500. Die Hauptschuld an dieser Misere trägt der sogenannte Grenzsteuersatz, welcher sich wegen der dreifachen Einkommenssituation drastisch erhöht. Könnte nun die Pensionskassenrente für die Zeit der erneuten Erwerbstätigkeit gestoppt werden, würde sich der Steuerbetrag auf CHF 23'500 reduzieren. Die Differenz der Steuerbelastung von CHF 10’000 ist extrem und für einige Arbeitswillige Grund genug, um den Ruhestand zu geniessen und nicht weiterzuarbeiten.

Mit 70 ist Schluss

Sollte über das Alter von 70 Jahren gearbeitet werden, würde die Sistierung der Pensionskassenrente ab diesem Zeitpunkt hinfällig. Mit dem 70. Geburtstag muss die Pensionskassenrente spätestens wieder reaktiviert werden, um in keinen Konflikt mit den gesetzlichen Bestimmungen des BVG zu kommen.

Aus Erfahrung beenden viele Arbeitnehmende ohnehin ihre Erwerbstätigkeit zu diesem Zeitpunkt. Diese Alterslimite ist somit kein belastender Faktor und könnte so beibehalten werden.

Und das Beste ist: Damit die beschriebene, temporäre Sistierung der Pensionskassenrente möglich ist, benötigt es seitens der Pensionskassen lediglich eine Anpassung in deren Reglementen. Das wäre eine Formsache, die unbürokratisch und rasch eingeführt werden könnte.

Eine vorübergehende Sistierung der Pensionskassenrente ist selbstverständlich freiwillig. Mit der Wahlmöglichkeit einer Sistierung könnten die Rentenbezüger allerdings selbstständig und aus freien Stücken entscheiden, ob sie die Pensionskassenrente durchgehend ab der ordentlichen Pensionierung beziehen möchten oder lieber mit dem «Stop & Go»-Prinzip optimieren wollen.

Von Mario Bucher, Produkt- und Prozessentwicklung, PensExpert

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