Todesstoss |
31.03.2023 23:18:00
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Banken im Social Media Zeitalter: Haben Twitter und Co. den Untergang der Credit Suisse eingeläutet?
Die Credit Suisse als eigenständiges Finanzhaus existiert nicht mehr. Schuld daran waren anhaltende Skandale und ein Vertrauensverlust, der Kunden dazu getrieben hat, in grossem Stil Einlagen abzuziehen. Beschleunigt wurde der Untergang von Social Media - und das Finanzhaus war auf den Todesstoss von dieser Seite offenbar nicht vorbereitet.
• Probleme der CS wohl eher hausgemacht
• Social Media als Katalysator des Zusammenbruchs
Drei US-Banken haben in den vergangenen Wochen für massive Verwerfungen nicht nur an den Finanzmärkten sondern auch in der europäischen Bankenlandschaft gesorgt. Die US-Kryptobank Silvergate, die Silicon Valley Bank (SVB) und die Signature Bank waren allesamt in akute Kapitalnot geraten und mussten ihre Tore schliessen oder wurden zeitweise unter staatliche Kontrolle gestellt. Grösstes Opfer hierzulande war die Grossbank Credit Suisse, die im Zusammenhang mit den Nachrichten aus Übersee einen massiven Kurssturz an der Börse hinlegte. Dabei waren die grössten Probleme der CS nicht die Verunsicherung am Markt nach dem Bankenbeben in den USA, sondern vielmehr hausgemacht: Schon seit geraumer Zeit hatte das Finanzhaus zunehmend unter Vertrauensverlust gelitten - schwache Zahlen und zahlreiche Skandale hatten Anleger dazu veranlasst, dem Institut Vertrauen - und Gelder - zu entziehen. Besiegelt wurde das Ende dann durch die Nachricht, dass der saudische Grossaktionär Saudi National Bank weitere Finanzhilfen für die Schweizer Bank kategorisch ausschloss.
Schweizer Behörden, die Schweizerische Nationalbank und die Führungsebene des Finanzhauses selbst sahen in dieser dramatischen Gemengelage offenbar keine andere Lösung, als die CS an die heimische Konkurrentin UBS zu verkaufen.
Welche Rolle spielte Social Media?
Bei der Aufarbeitung der Mammutübernahme in der Schweizer Bankenlandschaft machten sich Verantwortliche auf die Suche nach einem Schuldigen und schienen ihn auch bald gefunden zu haben: die Sozialen Medien. "Seit dem Oktober 2022 führten auf den Sozialen Medien ausgelöste Gerüchte zu massiven Abflüssen von Kundeneinlagen bei der Credit Suisse", betonte etwa Marlene Amstad, die Verwaltungspräsidentin der Finma im Rahmen einer kurzfristig angesetzten Medienkonferenz nach der Übernahme. Gestützt wurde ihre Behauptung in diesem Rahmen auch von Axel Lehmann, dem Verwaltungspräsidenten der Credit Suisse, der nachlegte: "Viele Kunden und Kundinnen sind lange sehr loyal und sehr treu gewesen. Letzten Herbst hatte dann der Social-Media-Storm ganz enorme Auswirkungen."
Tatsächlich wurde das Thema Credit Suisse in den Sozialen Medien durchaus diskutiert und am Aktienmarkt antizipiert. In einem inzwischen gelöschten Tweet hatte der australische ABC-Journalist David Taylor am 1. Oktober 2022 geschrieben: "Glaubwürdige Quellen sagen mir, dass eine grosse internationale Investmentbank am Abgrund steht". Um welche Bank es sich handelt, blieb in diesem Zusammenhang offen, der Tweet wurde bis zu seiner Löschung aber in den sozialen Medien vielfach geteilt und kommentiert und so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht:
However, most of the recent interest arose due to a story from ABC Australia, which reported ominously that "a major international investment bank is on the brink".
- Graham Stephan (@GrahamStephan) October 2, 2022
Although the reports didn't specify any names, the rumor is that they are referring to Credit Suisse. pic.twitter.com/2khs10sUsp
Dass die Credit Suisse mit diesem Twitter-Beitrag in Verbindung gebracht wurde, ist allerdings nicht Taylor anzulasten. Stattdessen hatte das Finanzhaus wegen zahlreicher Skandale und Milliardenverlusten bereits zuvor so an Anlegervertrauen eingebüsst, dass viele Investoren die Verbindung mit der CS auch ohne konkrete Namensnennung herstellten.
Rund sechs Monate später waren es erneut die Sozialen Medien, die dazu beitrugen, dass der Aktienkurs der Credit Suisse massiv abrauschte: Das Bloomberg-Interview, in dem der damals Noch-Chef des CS-Grossaktionärs Saudi National Bank verkündete, es werde "keinen weiteren Cent" für die Schweizer Bank geben, ging viral und wurde über Twitter und andere Soziale Medien schnell verbreitet. Es gilt als letzter Sargnagel für die Grossbank:
BREAKING: "Absolutely" not another cent for Credit Suisse. That's what Saudi National Bank, the embattled lender's top shareholder, tells Bloomberg TV in an interview https://t.co/fVEEB8116Z pic.twitter.com/Fy4KdEbfNc
- Bloomberg TV (@BloombergTV) March 15, 2023
Soziale Medien haben Untergang beschleunigt
Ob der Tweet des australischen Journalisten oder das Interview des CS-Grossaktionärs ursächlich für den Zusammenbruch des Finanzhauses waren, ist aber schwer festzustellen. Klar ist, Soziale Medien verbreiten Nachrichten schneller und machen sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Klar ist aber auch, der Abzug der Kundeneinlagen von der Credit Suisse hat bereits deutlich vor Oktober 2022 begonnen und wurde durch Twitter & Co. wohl lediglich beschleunigt. Ein grundsätzlich gesundes Finanzhaus mit robustem Anlegervertrauen hätte aber wohl deutlich weniger Schaden genommen als die Credit Suisse. "Ich denke, es wäre wahrscheinlich doch so gekommen, einfach, weil die Abwärtsspirale von schlechtem Image, von mutmasslich schlechter Führung und von Grossanlegern, die sich ihre Gedanken gemacht haben, wahrscheinlich nicht mehr aufzuhalten gewesen wäre", zitiert das SRF den Wirtschaftspsychologen Christian Fichter.
Klar ist auch: Banken müssen sich in Zeiten Sozialer Medien und dem zunehmenden Einfluss viraler Verbreitung anders positionieren. Wer auf Twitter & Co. keine Angriffsfläche bietet, gerät auch nicht ins Kreuzfeuer Sozialer Medien. Kundenvertrauen ist bei einem Geschäft, wie es Finanzhäuser betreiben, elementar. Wer dies aufs Spiel setzt, setzt sich dem Risiko aus, zum (negativen) Diskussionsgegenstand zu werden. Insbesondere für Banken ist dies ein Problem, da die starke und schnelle Verbreitung viraler Inhalte Gruppenzwang mit sich bringt und eine Kettenreaktion auslösen kann, die schlussendlich zu einem Bankenrun führt.
Insbesondere Finanzhäuser - aber auch alle anderen börsennotierten Unternehmen - müssen in dieser Zeit ihre Kommunikationsstrategie anpassen und proaktiv mögliche Probleme kommentieren, statt nur auf die Entwicklung in den Sozialen Medien zu reagieren. Schnelle, kompetente und vorausschauende Kommunikation ist für Banken im Social Media-Zeitalter unverzichtbar. So hätte die Credit Suisse womöglich bereits direkt nach dem Bankenbeben in den USA offen über die Konsequenzen für das eigene Haus berichten und kommunizieren müssen, ob und wie das eigene Geschäft von dem Zusammenbruch der Banken in den USA betroffen ist. Unter Umständen hätte der Kommentar der Saudi National Bank in diesem Umfeld dann nicht derart hohe Wellen geschlagen.
Alles in allem dürfte der Zusammenbruch der Credit Suisse aber nicht auf Beiträge in den Sozialen Medien zurückzuführen sein, sondern auf das Versagen der Führungsebene. Twitter & Co. haben der CS am Ende wohl nur den Todesstoss versetzt.
Redaktion finanzen.ch
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