«Brexit eröffnet Anlagechancen»

Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Jacques Stauffer*: Beim Brexit gehen die Wogen hoch, und er ist das dominierende Thema an den Finanzmärkten. Wer sind die Gewinner und wer die Verlierer dieses weitherum unerwarteten Verdikts? Aber auch die Gründe für die Ohrfeige an die EU hallen nach, und die meist gefasst wirkende Führungsriege in Brüssel ringt um Worte. Als Risikomanager sind wir dankbar, dass dieser politische Erdrutsch zu einem Zeitpunkt relativ robuster Märkte eingetreten ist. Noch vor einem Jahr hätte der Brexit die Finanzmärkte in eine akzentuierte Baisse schicken können. Im heutigen Umfeld führt dieses Erdbeben jedoch nicht zum Untergang. Es eröffnet kühl agierenden Investoren gar interessante Chancen.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
«Dem Mutigen gehört die Welt», lautet das Sprichwort. Mut ist aber nicht Tollkühnheit, sondern kalkulierte Chancenauswertung. Wir stellen heute - nach der weltweit beispiellosen Ausweitung der Geldmenge - eine kontinuierliche Wertsteigerung von Anlagen fest. In einer ersten Phase erfahren risikoarme Anlageklassen eine deutliche Preissteigerung. Danach erfasst diese «Asset Inflation» Vermögenswerte mit mittelhohem Risiko und schliesslich auch risikoreiche Anlagen. Aufgrund dieser Überlegungen - und wegen der Korrekturen der letzten Wochen - bieten die Aktienmärkte in den kommenden Monaten gute Einstiegschancen. Dies gilt auch für die Schweizer Börse.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Der SMI birgt ein lohnenswertes Wertsteigerungspotential; binnen der nächsten zwölf Monate erwarten wir Avancen. Allerdings sollte der Einstieg oder Zukauf ausgewogen und am besten gestaffelt erfolgen.

Wo sehen Sie Chancen?
Die Titel von Goldproduzenten haben sich seit unserer Empfehlung von Ende September 2015 ausgezeichnet entwickelt. Gemessen am ETF iShares Gold Producers kletterten sie seither um 132%. Dennoch machen wir in diesem Nischenbereich weiteres Potenzial für Wertsteigerungen aus. In einer ähnlichen Situation wie vor acht Monaten die Goldproduzenten befinden sich heute die europäischen Banken. Die Finanzbranche - und im speziellen Bankentitel - werden gemieden. Dadurch eröffnen sich für längerfristig agierende Investoren Chancen. Ein schrittweiser Aufbau eines solchen Engagements in den nächsten Monaten kann für risikofähige Investoren eine sinnvolle Ergänzung sein.

Lohnt es sich aktuell in Gold zu investieren?
Wir bleiben bei unserer positiven Einschätzung und empfehlen Edelmetalle weiterhin zum Kauf. Unsere Priorität liegt aber immer noch beim Silber.

Kann sich der Franken noch weiter abschwächen?
Ja, der Schweizer Franken ist nach wie vor überbewertet. Zudem ist unsere Volkswirtschaft zu klein und die Position der Schweiz zu unbedeutend, als dass der Franken für grosse Investoren ein sicherer Hafen sein könnte. Deshalb bevorzugen viele Investoren auf der Suche nach Sicherheit Gold als Alternativwährung.

Wovon wurden Sie jüngst positiv oder negativ überrascht?
Wir haben nicht mit dem Brexit gerechnet. Allerdings erscheinen uns die Auswirkungen des Entscheids des britischen Souveräns auf die weltweiten Aktienmärkte in einer ersten Phase als übertrieben. Grossbritannien wird mittelfristig unter diesem Ablösungsprozess leiden. Aber als Volkswirtschaft wird das Königreich weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Weltwirtschaft leisten.

*Jacques E. Stauffer ist Gründungspartner und CEO beim Vermögensverwalter Parsumo Capital AG. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Vermögensverwaltung und in der Beratung institutioneller und privater Anleger, unter anderem bei der Credit Suisse.