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Normalerweise streng geheim 07.07.2020 17:59:00

Experte: EY-Prüfberichte zu Wirecard könnten bald eingesehen werden - Wirecard-Aktie wechselt Vorzeichen

Experte: EY-Prüfberichte zu Wirecard könnten bald eingesehen werden - Wirecard-Aktie wechselt Vorzeichen

Gläubiger und Aktionäre haben unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die normalerweise streng geheimen Abschlussberichte von Wirtschaftsprüfern einzusehen.

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Das könnte im Fall Wirecard grosse Bedeutung haben, sagt Wirtschaftsprofessor Kai-Uwe Marten von der Universität Ulm. Seines Wissens nach wäre es das erste Mal, dass dieses Recht angewandt würde. Eingeführt wurde der entsprechende Paragraf 321a des Handelsgesetzbuches vor 16 Jahren infolge diverser Skandale.

"All jene, die Forderungen haben - etwa Banken und Lieferanten, in bestimmten Fällen aber auch Aktionäre - können Einsicht in die Prüfungsberichte der vergangenen drei Jahre beantragen, sobald das Insolvenzverfahren eröffnet ist", sagte Marten der Deutschen Presse-Agentur. Bei Aktionären gelte, dass sie ein Prozent des Unternehmens oder Aktien im Wert von mindestens 100'000 Euro halten müssten, um Zugriff auf die Berichte zu erhalten.

Beim Finanzdienstleister Wirecard fehlen rund 1,9 Milliarden Euro, die der Konzern in seiner Jahresbilanz 2019 auf der Habenseite verbuchen wollte. Das Unternehmen hat mittlerweile Insolvenz angemeldet. Wann das Verfahren eröffnet wird, steht noch nicht fest, und was mit den 1,9 Milliarden Euro ist, ist bisher ebenfalls unklar.

Seit Beginn des Skandals um Wirecard wird auch die Rolle der Wirtschaftsprüfer - in diesem Fall des Unternehmens EY mit Sitz in Stuttgart - hinterfragt. Martens, Fachmann für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung, nimmt die Prüfer in Schutz. "Es ist ein grosser Unterschied, ob man eine normale gesetzliche Abschlussprüfung durchführt oder gezielt nach Betrug sucht", erklärt er. EY habe lediglich den Auftrag gehabt zu prüfen, ob der Konzernabschluss von Wirecard mit den gesetzlichen internationalen Rechnungslegungsstandards übereinstimme.

An einer Sonderprüfung, wie KPMG sie dann im Fall Wirecard durchgeführt habe, seien Fachleute für Betrug wie beispielsweise ehemalige Kriminalkommissare und Finanz-Forensiker beteiligt, sagte Marten. "Der Abschlussprüfer hingegen kann zwar Experten hinzuziehen, er hat aber nicht das Recht, Unternehmen beispielsweise zu durchsuchen und Material zu beschlagnahmen. Wie dieser Fall zeigt, gelingt es unter Umständen nicht einmal bei einem sogenannten forensischen Auftrag, wie er KPMG erteilt wurde, einen Sachverhalt abschliessend aufzuklären." Da kämen dann sogar nur staatliche Behörden mit ihren Ermittlungen weiter.

Sollten Betroffene Einsicht in die Berichte fordern, würde es spannend, sagte Marten. "Dann kann man sehen, was die Wirtschaftsprüfer im Fall Wirecard gemacht haben, ob es Verdachtsfälle gab und wenn ja, wie sie dem nachgegangen sind." Der Abschlussprüfer selbst dürfe darüber nur an den Aufsichtsrat des betreffenden Unternehmens berichten.

Wirecard-Insolvenzverwalter: Reges Interesse an Unternehmensteilen

Für die Teile des insolventen Zahlungsabwicklers Wirecard gibt es nach Angaben des vorläufigen Insolvenzverwalters ein reges Interesse unter Investoren. Für das Kerngeschäft mit der Herausgabe und Akzeptanz von Kreditkarten sowie davon unabhängige Geschäftsbereiche des Konzerns hätten sich zwischenzeitlich bereits mehr als 100 Interessenten gemeldet, teilte Rechtsanwalt Michael Jaffé am Dienstag im Anschluss an eine Sitzung des vorläufigen Gläubigerausschusses mit. Der heruntergeprügelte Kurs machte auf die Nachricht hin einen Sprung.

Am weitesten fortgeschritten seien die Aktivitäten für die US-amerikanische Gesellschaft Wirecard North America. Der vorläufige Gläubigerausschusses hat zugestimmt, die Investmentbank Moelis & Company für den Verkauf der Sparte zu mandatieren. Auch für weitere internationale Beteiligungen sowie das Kerngeschäft würden aktuell Investorenprozesse eingeleitet.

Fraglich ist nach einem Pressebericht der "Financial Times" ("FT") vom Sonntag, wie werthaltig die Unternehmensteile von Wirecard sind. Wirecard hatte Mitte Juni einräumen müssen, dass auf Treuhandkonten geführte Gelder für das sogenannte Drittpartnergeschäft in Höhe von 1,9 Milliarden Euro wahrscheinlich nie existiert haben und daraufhin Insolvenz beantragt. Laut dem Bericht der "FT" soll Wirecard aber auch im Kerngeschäft seit Jahren Verluste eingefahren haben, die offenbar mit den mutmasslichen Luftbuchungen in Asien kaschiert werden sollten.

Unter anderem hatte die Deutsche Bank Interesse an Zukäufen von Teilen Wirecards angedeutet. Bankchef Christian Sewing betonte am Dienstag jedoch, mögliche Zukäufe hätten eine hohe Hürde zu nehmen. Vor allem müssten neue Teile, etwa im technologischen Bereich, besser sein als das eigene Angebot.

Nachdem die Wirecard-Aktie den Großteil des Handelstages tief im Minus verbrachte, konnte sie nach der Meldung, der Wirecard-Insolvenzverwalter würde reges Interesse an den Wirecard-Assets verzeichnen, letztlich zweistellig hochschnellen, sodass sie 22,96 Prozent fester bei 3,15 Euro aus dem Handel ging.

(Dow Jones / AWP)

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Bildquelle: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images

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