Alle Risiken eingepreist? |
20.12.2023 21:16:00
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Julius Bär-Aktie mit Stabilisierung auf tiefem Niveau: Ist die Abwärtsbewegung jetzt beendet?
Die Aktie des heimischen Bankhauses Julius Bär geriet Ende November aufgrund schwacher Zahlen und einer deutlich erhöhten Kreditrückstellung unter Druck und sackte kräftig ab. Inzwischen konnte sie sich jedoch auf tieferem Niveau etwas stabilisieren. Ist damit das Schlimmste für die Aktie überstanden oder könnte es noch dicker kommen?
• Selbst Komplettausfall der Kredite nicht existenzbedrohend für Schweizer Privatbank
• Schwerwiegender Vertrauensverlust
Am 20. November schockierte Julius Bär die Anleger mit einem Rückgang der verwalteten Vermögen sowie deutlich gestiegenen Wertberichtigungen im Kreditportfolio. Laut Angaben der Schweizer Bank habe man auf eine Einzelposition in Höhe von 606 Millionen Franken eine Rückstellung von 70 Millionen Franken vorgenommen. Weitere Abschreiber wurden indes nicht ausgeschlossen. Auch wenn Julius Bär weiterhin keine Angaben zu seinen Kundenbeziehungen macht, kann laut Analysten und übereinstimmenden Medienberichten davon ausgegangen werden, dass die Abschreiber durch Kredite verursacht wurden, die an René Benkos Immobilien-Holding SIGNA oder deren Tochterfirmen vergeben wurden. Die SIGNA Holding und mehrere Töchter haben mittlerweile einen Insolvenzantrag gestellt.
Die Julius Bär-Aktie rutschte im Umfeld dieser Negativ-Nachrichten kräftig ab und erreichte am 28. November ein 52-Wochentief bei 42,98 Franken. Seitdem hat sie sich wieder etwas stabilisiert, zuletzt kostete das Papier an der SIX wieder 47,12 Franken (Stand: Schlusskurs vom 19. Dezember 2023). Auf Jahressicht liegt der Anteilsschein dennoch rund 12,5 Prozent im Minus, in den letzten drei Monaten ging es gar um satte 20,86 Prozent abwärts. Von ihrem Jahreshoch aus dem April bei 64,70 Franken ist die Julius Bär-Aktie weiterhin meilenweit entfernt. Es stellt sich nun die Frage, wie es in Zukunft mit dem Anteilsschein weitergehen wird und ob die massiven Kursverluste seit Ende November womöglich sogar etwas übertrieben sind.
Julius Bär weiterhin gut kapitalisiert - Kursrutsch womöglich zu gross?
Julius Bär kommt momentan auf eine Marktkapitalisierung von rund 9,42 Milliarden Franken. Vor dem Kursrutsch im November war die heimische Privatbank aber mit gut 10,5 Milliarden Franken noch rund 1,6 Milliarden Franken mehr wert. Somit ist der Verlust an Börsenwert bei Julius Bär viel grösser als der mögliche Verlust, der zustande käme, wenn das Institut die gesamten Benko-Kredite in Höhe von 606 Millionen Franken abschreiben würde. Dass dies passieren wird, hält jedoch etwa die "NZZ" für unwahrscheinlich, da zumindest ein Teil der Kredite mit Immobilien besichert sei. Realistisch sei daher lediglich ein Gesamtschaden für Julius Bär von 200 bis 300 Millionen Franken, so die Zeitung. Der hohe Kursabschlag erscheine angesichts dieser Rechnung als deutlich übertrieben.
Auch "sharedeals.de" betont, dass Julius Bär eigentlich gut kapitalisiert und selbst ein Abschreiber in Höhe von 606 Millionen Franken verkraftbar sei. So liege bei dem Bankhaus etwa die Quote für das harte Kernkapital aktuell bei 16 Prozent. Gesetzlich vorgeschrieben seien jedoch nur 8,2 Prozent, Julius Bär habe sich selbst eine Untergrenze von 11 Prozent gesetzt. Selbst wenn alle Benko-Kredite ausfallen würden, sinke die Quote aber nur auf 14 Prozent, rechnet die Finanzwebseite vor. Vontobel-Analyst Andrea Venditti sagte gegenüber "finews.ch", dass eine vollständige Abschreibung der wackelnden Kredite das harte Kernkapital von Julius Bär von momentan 3,3 Milliarden Franken um rund 18 Prozent verringern würde, was zwar "sehr viel" wäre, aber dennoch nicht existenzbedrohend sei.
Vertrauensverlust könnte Julius Bär noch weitere Probleme bescheren
Die hohen Kursverluste, von denen sich die Julius Bär-Aktie trotz dem Ausbleiben weiterer negativer Nachrichten bislang nicht wirklich erholen konnte, würden zu einem grossen Teil noch immer den Schock der Investoren widerspiegeln, "dass sich die als konservativ geltende Privatbank auf solch riskoreichen [sic!] Kredite eingelassen hat", sagte Analyst Venditti gegenüber "finews.ch". Zudem dürfte auch der erlittene Vertrauensverlust eingepreist werden. Denn die über Jahre mit Inbrunst vorgetragene "Pure Player"-Strategie hat sich Julius Bär nun selbst ausgehöhlt. Statt als ein solide wirtschaftendes, risikobewusstes Bankhaus dazustehen, werden nun Erinnerungen an die Archegos-Geschäfte der CS wach. Wie die "NZZ" rekapituliert, schloss die CS damals in der Folge eine ganze Abteilung, was ein Loch in die Kasse riss. Das könne in kleinerem Ausmass auch bei Julius Bär drohen, so die Zeitung.
Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass es für die Aktie der Privatbank in Zukunft noch weiter abwärts gehen könnte. Die "NZZ" berichtet mit Verweis auf Aussagen von Vontobel-Analyst Venditti etwa über mögliche negative Auswirkungen auf das Neukundengeschäft. Laut dem Experten würden die von der CS übernommenen Kundenberater nun im Fokus stehen, die in den kommenden Quartalen versuchen dürften, ihre alten Kunden von einem Wechsel zu Julius Bär zu überzeugen. "Diese Kunden wollen aber nicht wieder zu einer Bank wechseln, die Schlagzeilen generiert", so der Analyst. Konkret bemerkbar machen würde sich das laut "NZZ" jedoch erst in 2024, und dann könne es sein, dass Julius Bär die Erwartungen vieler Analysten an die Zahl der Neukunden verfehlt - mit entsprechenden Auswirkungen für den Aktienkurs. Wie "finews" berichtet, hätten sich zudem bereits Hedgefonds nach Julius Bär erkundigt, und Shortseller könnten angesichts der Kursverluste in Versuchung kommen, gegen die heimische Privatbank zu wetten und den Kurs noch weiter zu drücken - auch wenn es dafür aktuell keine Anzeichen gebe.
Bei Julius Bär sieht es laut "finews.ch" zudem nicht nach einem Ende mit Schrecken aus - sondern eher nach einem Schrecken ohne Ende. Denn wie Analyst Andrea Venditti gegenüber dem Nachrichtenportal sagte, sei Julius Bär "wohl aus regulatorischen wie auch aus taktischen Gründen als Gläubiger nicht in der Lage, sofort das gesamte Engagement abzuschreiben und so reinen Tisch zu machen". Er gehe in seinen Modellrechnungen eher davon aus, dass es zum Jahresende und 2024 zu weiteren Rückstellungen von 80 respektive 150 Millionen Franken kommen könne. Der Fall "Julius Bär und Benko/SIGNA" könnte sich somit noch lange hinziehen und an der Börse noch für einiges an Bewegung sorgen.
Redaktion finanzen.ch
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