Schutz vor Verlusten |
20.02.2021 23:56:00
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Nach Reddit-Rally bei GameStop, AMC & Co.: Marktexperte zieht Lehren aus dem Hype
Mit der WallStreetBets-Bewegung, die ihren Ursprung in der gleichnamigen Reddit-Community hat, landeten plötzlich Kleinanleger im Fokus des Börsengeschehens. Kurse von Werten wie GameStop und AMC stiegen in ungeahnte Höhen und animierten zahlreiche Privatinvestoren zum Einstieg. Nun setzen die Verluste ein. Dennoch können aus dem Hype auch Lehren gezogen werden.
• Sinkende Kurse machen Kleinanlegern zu schaffen
• Marktexperte zieht Lehren aus Hype
Nachdem sich Kleinanleger in der Reddit-Community "WallStreetBets" organisierten und die Aktien von Unternehmen, gegen die viele Hedgefonds Short-Positionen laufen hatten, in die Höhe trieben, ging ein Raunen durch die Finanzwelt. Mittlerweile ist der Hype wieder etwas abgeflacht und Anteilsscheine von Unternehmen wie GameStop und AMC nähern sich langsam wieder ihren Ständen von zuvor an und sind vor allem mit roten Vorzeichen unterwegs. Nachdem also zu Beginn der Kurssprünge in erster Linie professionelle Shortseller Verluste einfahren mussten, sind es nun vermehrt Kleinanleger, die schwer an den sinkenden Kursen zu knabbern haben.
Um Einbußen dieser Art in der Zukunft zu verhindern, legt der Finanzexperte Michael Sincere Anlegern in seiner "MarketWatch"-Kolumne zwölf Lektionen ans Herz, die sie aus dem GameStop-Getöse ziehen können. "Sie basieren auf den Erfahrungen und dem Pech Tausender anderer Trader, mich eingeschlossen, die dachten, wir wären schlauer als der Markt", schreibt der Autor von mehreren Finanzbestsellern und zahlreichen Kolumnen. "In Wahrheit war der Markt schlauer als wir - denn das ist er immer."
Leerverkäufe vermeiden
Die wichtigste Lektion, die Sincere aus dem Debakel ableitet, ist es, nur Wertpapiere zu verkaufen, die man auch tatsächlich besitzt. "Die Trader, die das meiste Geld bei GameStop und AMC verloren haben, waren diejenigen, die 'nackte' Calls und Puts verkauft haben […] oder diejenigen, die Aktien leerverkauft haben", schreibt der Experte. "Bei dieser extrem riskanten Strategie kann man ein Vermögen machen, wenn man richtig liegt. Wenn Sie falsch liegen, können die Verluste unkalkulierbar sein." So sollen unvorsichtige Händler zehntausende US-Dollar verloren haben, obwohl sie nur ein paar tausend US-Dollar investiert hätten. Solche Spekulationen legt Sincere nur Profis ans Herz, und selbst diese seien nun schwer getroffen.
Der "Nullpunkt" ist der richtige Verkaufszeitpunkt
Viele Anleger tun sich schwer mit der Frage, wann der richtige Zeitpunkt für einen Verkauf ist. Für Sincere ist aber klar: am "Nullpunkt". "Wenn Sie große Gewinne haben, die verschwinden und Sie am Nullpunkt […] sind, verkaufen Sie, bevor Sie echte Verluste haben", erklärt er weiter. Somit können sich Verluste eingrenzen und das Schlimmste verhindern lassen. Schließlich sei es besser, keine Gewinne mitzunehmen als herbe Verluste einstecken zu müssen.
Keine Starrköpfigkeit an den Tag legen
Als Grund dafür, dass Investoren immer wieder den richtigen Zeitpunkt für einen Verkauf verpassen, führt Sincere Starrköpfigkeit an. So sei es vielen Anlegern so ergangen, dass sie in den letzten Wochen große Gewinne machen konnten, nur um dann zuzusehen, wie diese wieder dahinbröckelten - in der Hoffnung, dass sich der Kurs doch noch erholt und sie erneut von Wertsteigerungen profitieren können. In den meisten Fällen sei diese Hoffnung aber vergebens.
Distanz zu Investitionen wahren
Eine weitere wichtige Lehre sei es außerdem, einen harten Bruch mit dem Wertpapier zu vollziehen. "Wenn Sie eine Aktie oder eine Optionsposition halten, die übergroße Gewinne bringt, verkaufen Sie entweder die Hälfte Ihres Bestandes oder alles - aber steigen Sie aus", rät der Fachmann. Diese Vorgehensweise bezeichnet Sincere als "Verkaufen bei Extremen". So sollten Investoren sich von ihren Aktien trennen, wenn die Gewinne über ihren Erwartungen liegen - und eben nicht anfangen zu zocken. "Wir alle kennen die Geschichte des Spielers, der im Casino groß gewinnt, aber den Tisch nicht verlässt, bis sein ganzes Geld weg ist", schreibt Sincere weiter. "Gewinne sind flüchtig, besonders wenn die Volatilität in die Höhe schießt."
Grenzen im Vorfeld feststecken - und sich daran halten
Dabei spricht laut dem Experten nichts dagegen, spekulativ zu handeln. Allerdings sollten Anleger hier ihre Grenzen kennen. So sollten unsichere Investitionen nur zu geringeren Anteilen gehandelt werden. Zwar mag es eine Weile funktionieren, wie es eben auch bei GameStop und AMC der Fall war, umso schmerzhafter ist es dann aber, wenn die Kurse wieder fallen. Als Beispiel führt der Kolumnist einen Händler an, der mit einem Optionskontrakt 8'000 US-Dollar verloren habe. Normalerweise handle er mit 30 Kontrakten, wodurch er Einbußen von 240'000 US-Dollar einstecken hätte müssen.
Reddit-Hype ist ein Ausnahmefall
Auch wenn der Reddit-Hype besonders von Kleinanlegern groß gefeiert wird, da damit erstmals ein Aufbäumen gegenüber institutionellen Investoren möglich war, hält Sincere die jüngsten Vorkommnisse für einen Ausnahmefall. Zwar könnten die Reddit-Benutzer einen erneuten Angriff auf den Kapitalmarkt starten, die US-Notenbank Fed werde den Privatinvestoren aber einen Strich durch die Rechnung machen. "Die Fed hasst Volatilität und wird alles in ihrer Macht stehende tun, um die Märkte ruhig zu halten", glaubt der Autor. So erwartet er, dass US-Finanzministerin Janet Yellen und der Fed-Vorsitzende Jerome Powell hier zeitnah mit neuen Maßnahmen nachbessern werden.
Angebereien vermeiden
Weiterhin sei es zu empfehlen, seine Erfolgserlebnisse an der Börse für sich zu behalten. "Viele Händler, die groß gewonnen haben, haben sofort in den sozialen Medien (und vor ihren neidischen Freunden) damit geprahlt, wie viel Geld sie mit diesem Handel verdient haben", kritisiert Sincere. "Doch das euphorische Gefühl, das sie hatten, war nur vorübergehend. Es verschwindet normalerweise, nachdem das Geld weg ist." Stattdessen sollten sich Anleger im Stillen über ihre Gewinne freuen. Angeberei befeuere außerdem Waghalsigkeit.
Zeitstopps können vor dramatischen Verlusten schützen
Der Experte verweist auf die unter vielen Händlern unbekannte Option des Zeitstopps. "In einem extrem schnellen Markt wird die traditionelle Stop-Limit-Order nicht ausgeführt, wie viele dieser Meme-Aktienhändler auf die harte Tour herausgefunden haben", gibt er zu bedenken. Stattdessen sollten Anleger nach Gewinnen einen Tag oder Zeitraum für den Verkauf festlegen. Zwar betont der Kolumnist, dass er trotzdem eher zu Verkäufen bei Extremen rate, Zeitstopps seien aber immer noch eine gute Alternative zu dramatischen Verlusten.
Im Zweifelsfall die Hälfte der Positionen verkaufen
Sollte man sich dennoch unsicher sein, ob der richtige Zeitpunkt für einen Verkauf gekommen ist, rät Sincere zu einer einfachen Strategie. So sehe er durchaus das Problem bei verfrühten Verkaufen, immerhin könnte man noch weitere Gewinne mitnehmen, aber auch wenn man sich zu viel Zeit lässt, wird man eventuell mit dahinschwindenden Gewinnen bestraft. Stattdessen biete sich an, vorerst nur die Hälfte seiner Positionen zu veräußern. Trotzdem sollte man sich anschließend nicht entspannt zurücklehnen, sondern den Markt weiter beobachten und sich auf einen eventuellen Verkauf seiner Restpositionen vorbereiten, so der Experte.
Emotional von Verlustgeschäften loslösen
Auch warnt Sincere vor Verbitterung gegenüber den Unternehmen, die hinter den Verlustaktien stehen. "Es ist üblich, dass Händler sich an einer Aktie rächen wollen, mit der sie Geld verloren haben", erklärt er. "Tappen Sie nicht in diese emotionale Falle." Um dem entgegenzuwirken sollten Händler eine gesunde Distanz zu den Wertpapieren einhalten, bei Verlusten ihre Lehre aus den Spekulationsgeschäften ziehen und dann aber den Fokus wieder auf andere Geschäfte lenken.
Bei Extremen kleine Beträge investieren
Beim Handel mit Extremen ist außerdem Vorsicht geboten. So lasse man sich schnell verleiten, wenn man mit starken Gewinnen oder Verlusten konfrontiert ist. Getrieben von Wut und Aggression nach einem verpatzten Handel, aber auch von Euphorie nach satten Gewinnen ziehen sich viele Händler die Spendierhosen an und pumpen hohe Geldbeträge in weitere Investitionen. Da bei diesen Geschäften dann aber Emotionen vor Rationalität stehen, empfiehlt Sincere dringend, mit kleinen Beträgen einzusteigen. Der Experte verweist auf den Spekulanten Jesse Livermore, der 1929 in einer Woche 100 Millionen US-Dollar an Gewinnen einstreichen konnte, diese in den darauffolgenden fünf Jahren aufgrund von Leichtsinnigkeit aber komplett pulverisierte.
Investitionen dürfen niemals die Existenzgrundlage bedrohen
Die Beträge, die Anleger in ihre Investitionen stecken, sollten außerdem nie so hoch sein, dass die Existenzgrundlage eines Einzelnen in Mitleidenschaft gezogen wird, wie etwa das eigene Haus oder alle Ersparnisse. "Makler erzählten mir von Kunden, die ihre Rentenfonds ausräumten oder Barvorschüsse auf ihre Kreditkarten nahmen, um GameStop und AMC zu kaufen", warnt der Experte. "Manche gewannen, manche verloren, aber viele gingen ein viel zu großes Risiko ein." Generell sollten Anleger immer mit Verlusten rechnen, wenn sie in ein Geschäft einsteigen.
Redaktion finanzen.ch
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