Neutralität im Fokus |
28.04.2022 23:26:00
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Ukraine-Krieg: Schweiz und NATO - wie weit kann die Zusammenarbeit gehen?
Die Neutralität der Schweiz ist ein wesentlicher Grundsatz ihrer Aussenpolitik. Dennoch werden im Zuge des russischen Angriffskriegs in die Ukraine Fragen laut, inwieweit die Kooperation mit der NATO nicht ausgebaut werden sollte. Doch wie könnte eine solche engere Zusammenarbeit überhaupt aussehen?
• Schon jetzt wird mit der NATO kooperiert
• Fokus auf Ausbau der Schweizer Armee und Interoperabilität des Militärs
"Die dauernde Neutralität ist ein Grundsatz der schweizerischen Aussenpolitik." So heisst es in dem Beitrag zur Neutralität auf der Webseite des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA gleich im ersten Satz. Die Neutralität der Schweiz ist zwar nicht konkret in der Bundesverfassung verankert, dennoch heisst es dort, Bundesrat und Bundesversammlung würden Massnahmen zur Wahrung der Neutralität ergreifen. Die Grundlage der Neutralität wurde 1907 im Zuge der Kodifizierung des Neutralitätsrechts mit dem Haager Abkommen geschaffen. Darin sind auch die Pflichten eines neutralen Staates definiert. So muss sich ein neutrales Land der Teilnahme an Kriegen enthalten, es darf jedoch zu seiner eigenen Verteidigung Massnahmen ergreifen. Beim Export von Rüstungsgütern sind alle Kriegsparteien gleich zu behandeln, jedoch dürfen den Kriegsparteien keine Söldner oder das eigene Staatsgebiet zur Verfügung gestellt werden.
Wie es bei EDA heisst, sei die Neutralität der Schweiz "humanitär geprägt" und "an Friedensfragen" orientiert.
Engere Kooperation mit der NATO gefordert
Die Invasion Russlands in die Ukraine sorgt weltweit nicht nur für Entsetzen, sondern stellt auch die internationale Geopolitik vor grosse Herausforderungen. Auch in der Schweiz werden mittlerweile Rufe nach einer engeren Zusammenarbeit mit der NATO lauter. So sei laut der Neuen Zürcher Zeitung vom Institut Somoto in "Sonntags-Blick" eine Umfrage erschienen, wonach 56 Prozent der befragten 20.000 Personen auf die Frage, ob eine engere Kooperation zwischen Schweiz und NATO angestrebt werden sollte, mit "Ja" oder "eher Ja" antworteten.
Auch Ständerat und Präsident der FDP Thierry Burkart forderte in einem Gastbeitrag bei der NZZ "das Ende der Igel-Schweiz" und plädierte darin für eine massive Ausweitung der Zusammenarbeit mit dem nordatlantischen Bündnis. Denn dass die Schweiz der NATO selbst beitritt, steht ausser Frage.
Die bisherige Zusammenarbeit
Schon heute kooperiert die Schweiz im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden (PfP) mit der NATO. Mithilfe des Programms für Individuelle Partnerschaft und Kooperation (IPCP) werden die verschiedenen Bereiche, in denen NATO und Schweiz zusammenarbeiten, genauestens definiert. Laut der NZZ wird diese Partnerschaft alle zwei Jahre neu ausgehandelt und auf einen bestimmten Schwerpunkt ausgerichtet. Für den Zeitraum 2020 und 2022 dient es der Friedensförderung und soll die militärische Interoperabilität bei Peace Support Operations fördern.
Eine starke Armee ist unabdingbar - genauso wie die Interoperabilität
Wie könnte eine Vertiefung der Zusammenarbeit mit der NATO also konkret aussehen? Geht es nach Thierry Burkart, solle zunächst die Schweizer Armee stark ausgebaut werden, wobei die Schweizer Armeeplaner konkret das Szenario eines Kriegs in Europa berücksichtigen sollten. Darüber hinaus solle die Interoperabilität des Militärs mit der NATO ausgeweitet werden. Hier sieht Burkart die neutralen Nationen Finnland und Schweden als Vorbild, die nicht Teil der NATO sind, jedoch an NATO-Übungen teilnehmen und sich ganz auf die Interoperabilität der Streitkräfte konzentrieren.
Eine engere Kooperation mit der NATO sei laut Burkart auch deshalb vonnöten, da sich die Schweiz im Falle eines Angriffs auf das eigene Land nicht ausreichend selbst verteidigen könne und deshalb auf Hilfe von aussen angewiesen sei. Aus diesem Grund ergebe es ohnehin Sinn, schon jetzt durch gemeinsame Übungen für den Ernstfall vorbereitet zu sein.
Dass die Schweizer Armee mehr Mittel zur Verfügung gestellt bekommt, ist im Übrigen bereits beschlossene Sache. So gab die Bundesversammlung in einer Pressemitteilung bekannt, dass der Bundesrat damit beauftragt werde, "eine schrittweise Erhöhung der Armeeausgaben ab 2023 zu beantragen, sodass sie spätestens bis 2030 mindestens 1% des BIP betragen."
Andere Kanäle offen lassen
Ein weiterer Punkt, der bei einer Vertiefung der Kooperation mit der NATO jedoch nicht ausser Acht gelassen werden sollte, besteht darin, dass andere Kanäle zur Friedenssicherung oder Deeskalation weiterhin offen gelassen werden sollten, sprich mit der UNO oder auch der OSZE. Darüber hinaus müsse eine engere Partnerschaft mit der NATO laut der NZZ einen rechtlichen Rahmen bekommen, denkbar wäre hier das Programm Partnership Interoperability Initiative (PII), welches bereits Schweden und Finnland nutzen.
Für die Schweizer Politik wäre eine solche Kooperationsausweitung Neuland und ob es tatsächlich dazu kommt, bleibt abzuwarten. Es scheint jedoch als seien die Zeiten, in denen über die Sinnhaftigkeit eines Kleinstaat-Militärs aufgrund eines empfundenen starken Sicherheitsgefühls diskutiert wurde, erst einmal vorüber.
Redaktion finanzen.ch
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