Urteilsverkündung |
05.05.2020 16:33:00
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Bundesverfassungsgericht beanstandet Staatsanleihenkäufe der EZB
Das Bundesverfassungsgericht hat mehreren Klagen gegen die milliardenschweren Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) seit 2015 überwiegend stattgegeben.
Das Gericht stelle erstmals in seiner Geschichte fest, dass Handlungen und Entscheidungen europäischer Organe offensichtlich nicht von der europäischen Kompetenzordnung gedeckt seien, sagte Präsident Andreas Vosskuhle bei der Urteilsverkündung. Sie könnten daher in Deutschland keine Wirksamkeit entfalten.
Vor allem die Frage der Verhältnismässigkeit des Kaufprogramms muss aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts geklärt werden. Hierzu sollen Bundesregierung und Bundestag auf die EZB einwirken. Die Bundesbank darf künftig nur mitmachen, wenn der EZB-Rat nachvollziehbar darlegt, dass die mit dem Kaufprogramm "angestrebten währungspolitischen Ziele nicht ausser Verhältnis zu den damit verbundenen wirtschafts- und fiskalpolitischen Auswirkungen stehen".
Zwischen März 2015 und Ende 2018 hatte die Notenbank rund 2,6 Billionen Euro in Staatsanleihen und andere Wertpapiere gesteckt - den allergrössten Teil über das Programm PSPP (Public Sector Purchase Programme), auf das sich das Urteil bezieht. Zum 1. November 2019 wurden die umstrittenen Käufe neu aufgelegt, zunächst in vergleichsweise geringem Umfang von 20 Milliarden Euro im Monat.
Über Anleihenkäufe kommt viel Geld in Umlauf, das heizt normalerweise die Inflation an. Die EZB strebt mittelfristig eine Teuerungsrate knapp unter 2,0 Prozent an. Denn stagnierende oder fallende Preise können Verbraucher und Unternehmen verleiten, Investitionen aufzuschieben. Das kann die Konjunktur bremsen.
Mit ihrem Urteil stellen sich die Verfassungsrichter gegen den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dieser hatte dem Kaufprogramm im Dezember 2018 gegen massive Bedenken aus Karlsruhe seinen Segen erteilt. Diese Vorabentscheidung aus Luxemburg sei "schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar", hiess es in der Entscheidung der deutschen Verfassungsrichter.
Die Deutsche Bundesbank ist der grösste Anteilseigner der EZB, mit etwas mehr als 26 Prozent. Entsprechend gross ist ihr Kaufvolumen.
Wegen der Corona-Pandemie verkündeten nur fünf der acht Richter des Zweiten Senats das Urteil. Ursprünglich sollte das schon am 24. März passieren. Der Termin musste wegen der Ausbreitung der neuartigen Lungenkrankenheit aber verschoben werden.
Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzufedern, hat die EZB ihre Anleihenkäufe noch einmal deutlich ausgeweitet. Laufende Kaufprogramme wurden aufgestockt, um 120 Milliarden Euro bis Ende 2020. Dieses Geld soll vor allem in Unternehmenspapiere fliessen. Ein Extra-Krisenprogramm mit 750 Milliarden Euro soll mindestens bis Jahresende laufen - und bei Bedarf "ohne Einschränkung" ausgeweitet werden. Diese Programme waren nicht Gegenstand des Verfahrens.
Anlass für das Urteil waren vier Verfassungsbeschwerden aus den Jahren 2015 und 2016. Geklagt hatten unter anderen der frühere CSU-Vizeparteichef Peter Gauweiler sowie die Ex-AfD-Politiker Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel . Eine weitere Klägergruppe wurde von dem Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber vertreten.
Weidmann begrüßt BverfG-Aussagen zu Staatsanleihekäufen
EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann hat die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Staatsanleihekaufprogramm PSPP der Europäischen Zentralbank (EZB) begrüßt. "Das Bundesverfassungsgericht hebt in seinem Urteil wichtige Gestaltungsmerkmale des PSPP hervor, die in der Gesamtschau einen ausreichenden Abstand zur monetären Staatsfinanzierung sichern", heißt es in einer Erklärung Weidmanns. Auf die Bedeutung dieses Abstands habe er in der Vergangenheit hingewiesen.
Weidmanns Äußerung bezieht sich auf den Teil des BVerfG-Urteils, in dem die Richter erklärt hatten, dass sie im PSPP keinen "offensichtlichen Verstoß" gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung sähen. Dieses Urteil knüpften sie allerdings an die Erfüllung bestimmter Ankaufbeschränkungen, wie Emittentenlimit und EZB-Kapitalschlüssel.
Zum Urteil des Gerichts, die EZB habe die Verhältnismäßigkeit ihres Programms nicht ausreichend dargelegt - das war der Grund für die Ablehnung des PSPP durch das BVerfG - äußerte sich Weidmann dagegen nicht. Er erklärte lediglich, der EZB-Rat habe nun eine Frist von drei Monaten, seine Abwägungen der Verhältnismäßigkeit des Programms darzulegen. "Die Erfüllung dieser Vorgabe unter Beachtung der Unabhängigkeit des EZB-Rats werde ich unterstützen", so Weidmann.
/sem/moe/DP/fba
KARLSRUHE (awp international) / FRANKFURT (Dow Jones)
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