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Ölpreisentwicklung im Fokus 19.12.2022 21:16:00

Bleiben die Energiepreise trotz Rezession hoch? So schätzen Experten den Ölpreis 2023 ein

Bleiben die Energiepreise trotz Rezession hoch? So schätzen Experten den Ölpreis 2023 ein

2022 war ein Jahr der grossen Turbulenzen am Ölmarkt: Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und den damit zusammenhängenden westlichen Sanktionen schnellten die Ölpreise schlagartig in die Höhe. Infolge der schwachen Konjunkturlage sind sie inzwischen aber deutlich wieder zurückgekommen. Wie werden sich die Ölpreise 2023 entwickeln? Ein Blick auf Expertenprognosen lohnt sich.

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• Ölpreis 2022 von einer enormen Volatilität gekennzeichnet
• Viele offene Faktoren erschweren Prognose für 2023
• Insgesamt rechnen Experten mit einer steigenden Tendenz beim Ölpreis

Es gab in der jüngeren Börsenvergangenheit wenige Jahre, in den so viel über den Ölpreis geschrieben wurde wie 2022. Die enorme Steigerung der Energiekosten durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den darauf folgenden westlichen Sanktionen gegen Russland erhöhten nicht nur die Heizkosten von Haushalten und Industrieunternehmen, sondern trieben auch die Diesel- und Benzinpreise in die Höhe. Die hohen Energiekosten waren einer der wichtigsten Ursachen für die ausufernde Inflationsdynamik in Europa. Droht 2023 eine Verschärfung der Energiekrise? Werden steigende Ölpreise die Inflation weiter hoch halten? Oder bahnt sich vielmehr Entspannung am Rohstoffmarkt an? Zwar kann natürlich niemand mit Gewissheit die Ölpreise vorhersagen - doch die Prognosen anerkannter Experten könnten viel darüber verraten, wo die Reise hingehen wird.

Rückblick 2022: Die rasante Achterbahnfahrt der Ölpreise

Die Entwicklung des Ölpreises glich 2022 einer Achterbahnfahrt: Zunächst ging es langsam nach oben, dann extrem steil bergauf. Nach vielen volatilen Auf- und Ab-Bewegungen auf hohem Niveau ging es dann letztlich wieder deutlich nach unten zum Ausgangspunkt. Ausgedrückt in Zahlen: Ein Barrel WTI-Öl (circa 159 Liter) kostete Anfang 2022 etwa 75 US-Dollar, stieg dann im Zuge des am 24. Februar begonnenen Ukraine-Kriegs auf zeitweise fast 130 US-Dollar. Infolge von globalen Rezessionstendenzen ging der Ölpreis bis Dezember wieder deutlich runter und erreichte wieder das Jahresausgangsniveau von rund 74 US-Dollar. Ist der rasante Ölpreisanstieg zwischen dem Corona-Tief im April 2020 und dem Frühjahr 2022 damit Geschichte - oder drohen schon bald wieder deutlich höhere Heiz- und Benzinkosten?

Viele offene Variablen beim Jahreswechsel

Selten wurde so hitzig über die künftige Entwicklung der Ölpreise diskutiert. Kein Wunder, sind die Energiepreise aufgrund ihrer grossen Wirkung auf die Inflationsraten gerade derzeit von grosser Bedeutung. Ebenfalls ist noch nicht absehbar, wie stark eine globale Rezession ausfallen wird - oder ob diese sogar noch vollends umgangen werden kann. Eine weitere offene Variable ist die COVID-Politik der chinesischen Regierung. Sollten strikte No-COVID-Lockdowns auch 2023 die chinesische Konjunktur ausbremsen, so würde dies die Nachfrage nach Öl reduzieren und sich somit dämpfend auf die Preise auswirken. Tatsächlich fielen die Ölpreise Ende 2022 deutlich als Reaktion auf die ansteigenden Corona-Zahlen in China. Ebenfalls einen grossen Einfluss auf die Ölpreise haben traditionell Preisabsprachen innerhalb der OPEC+-Gruppe der grössten erdölexportierenden Staaten der Welt. Hinzu kommt die Frage, wie lange der Ukraine-Krieg und die westlichen Sanktionen gegen Russland noch anhalten werden. Hier rechnen nur wenige Experten mit einer merklichen Entspannung im neuen Jahr.

Goldman Sachs-Experte rechnet mit deutlichem Anstieg des Ölpreises

Die meisten Wall Street-Experten sind bullish für den Ölpreis gestimmt. So geht die US-Investmentbank Goldman Sachs bis Ende 2023 von einem starken Preisanstieg eines WTI-Barrels auf 110 US-Dollar aus. Jeff Currie, Global Head of Commodities bei Goldman Sachs, betont gegenüber CNBC, dass er weiterhin mit einer sehr hohen Volatilität rechnet. Den jüngsten Kursrückgang führt er auf den zuletzt schwächelnden US-Dollar und die unsichere Corona-Lage in China zurück. Besonders die Konjunkturlage Chinas habe einen grossen Einfluss gehabt: "Es ist mehr wert als die OPEC-Kürzung für den Monat November, um es mal in die richtige Perspektive zu rücken", so Currie. Zudem habe Russland vor dem Ablauf der Frist für das Exportverbot am 5. Dezember für ein höheres Angebot an Rohöl am Weltmarkt gesorgt. Diese Sondereffekte auf Angebotsseite dürften sich im kommenden Jahr aber wieder abschwächen, während die Nachfrage insgesamt hoch bleiben wird, meint Currie.

Auch JPMorgan bullish für den Ölpreis gestimmt

Etwas vorsichtiger sind die Rohstoffanalysten der US-Traditionsbank JPMorgan. Sie rechnen für 2023 mit einem Anstieg des WTI-Öls auf lediglich 90 US-Dollar. Zuvor hatten sie noch einen Ölpreis von 98 US-Dollar prognostiziert. Die JPMorgan-Experten gehen aber neuerdings davon aus, "dass sich die russische Produktion bis Mitte 2023 vollständig auf das Vorkriegsniveau normalisieren wird", wie "forexlive" die Studie zitiert. Das Angebot an Öl werde dadurch zunehmen, was die Preise drücken dürfte. Allerdings rechnet JPMorgan dennoch mit einem insgesamt steigenden Ölpreis, zumal die US-Bank die Abwärtsbewegung der Ölpreise Anfang Dezember aufgrund von Chinas Corona-Situation für überzogen hält. Der Ölpreis habe deshalb kurz- bis mittelfristig Einiges an Luft nach oben. Für Ende 2024 rechnen die JPMorgan-Experten mit einem WTI-Ölpreis von 98 US-Dollar.

US-Energiebehörde rechnet nur mit einem geringen Anstieg

Die US-Energiebehörde Energy Information Administration (EIA) dagegen schraubte die Ölpreisprognosen angesichts schwacher Konjunktursignale in einem letzten Bericht um gut drei Prozent herunter. Für ein Barrel WTI-Öl prognostiziert die EIA Ende 2023 nur noch mit einem Preis von 86,36 US-Dollar. Doch auch dieses Niveau würde auf Jahressicht einen leichten Anstieg bedeuten. Experten, die 2023 von einem tieferen Ölpreisniveau ausgehen, sind dagegen äusserst rar gesät. Dies liegt allerdings nicht zuletzt daran, dass die Ölpreise in den letzten Monaten 2022 deutlich gefallen sind und somit ein vergleichsweise moderates Niveau aufweisen.

Treibt Chinas Nachholbedarf den Ölpreis bald wieder über 100 US-Dollar?

Dieser Rückgang hing - wie bereits erwähnt - besonders auch mit der Krise der chinesischen Wirtschaft zusammen. Als ein wichtiger Faktor für deutliche Preissteigerungen wird von Experten denn auch vielfach Chinas Nachholbedarf genannt. Davon geht auch Amrita Sen, Forschungsdirektorin bei "Energy Aspects", aus: "Der Nachholbedarf in China wird enorm sein. Das könnte die Nachfrage um mindestens eine Million Barrel pro Tag erhöhen, und das könnte leicht den Unterschied zwischen einer Ölpreisprognose von 95 bis 105 US-Dollar und 120 bis 130 US-Dollar ausmachen", betont Sen gegenüber dem "Wall Street Journal".

Öl-Verknappung durch OPEC+ trotz Energiekrise

Es scheint auf den ersten Blick einen Widerspruch darzustellen, dass viele Ökonomen davon ausgehen, dass die Weltwirtschaft 2023 in eine Rezession abrutschen wird - und für die Ölpreise dennoch bullish gestimmt sind. Üblicherweise sorgt eine schwache Konjunkturlage nämlich nur für einen geringen Nachfragedruck nach Öl, was die Ölpreise nach unten drückt. Dieses Phänomen war unter anderem während der Finanzkrise 2008/2009 zu beobachten.

Neben Substitutionseffekten - viele Unternehmen und Haushalte steigen von Gas auf Heizöl um und erhöhen damit die Nachfrage nach Öl - gibt es einen wohl noch wichtigeren Grund für das scheinbare Paradoxon. Die OPEC+, eine marktdominierende Vereinigung der erdölexportierenden Staaten, machte in den vergangenen Monaten durch mehrfache Preisabsprachen deutlich, dass sie trotz der globalen Energieverknappung weiterhin ein hohes Preisniveau anstrebt. Erreicht wird dieses Ziel durch eine gezielte Produktionsverknappung, die in vielen Staaten wie in den USA auf grossen Protest stösst. Auch die Internationale Energie-Agentur (IEA) sieht sich aufwiegelnde Marktkräfte als entscheidenden Faktor für die hohen Ölpreise an, wobei die OPEC+ aufgrund ihrer Produktionsdominanz eine entscheidende Rolle spielt. Dabei werde wenig Rücksicht auf die Länder genommen, die besonders stark unter der Energieknappheit leiden. So dürften besonders auch die oft unberechenbaren Entscheidungen der OPEC+-Staaten einen sehr grossen Einfluss auf die Ölpreisentwicklung im Jahr 2023 Jahr haben.

Redaktion finanzen.ch

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