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Bodenbildung voraus? 08.08.2024 23:47:00

Aktienabsturz: Märkte wegen Carry Trades nun Spielball des japanischen Yen?

Aktienabsturz: Märkte wegen Carry Trades nun Spielball des japanischen Yen?

Am Montag erschütterte ein Börsenbeben die internationalen Aktienmärkte. Neben zunehmenden US-Rezessionssorgen sowie einem starken Rückgang bei den heiss gelaufenen Techtiteln, wird auch die rasante Aufwertung des japanischen Yens als Ursache des Crashs angeführt. Bleiben Aktien nun dem Sog der japanischen Währung weiter ausgeliefert?

• Nikkei stürzt dramatisch ab - weltweites Börsenbeben
• Carry Trades hauptsächlich mitverantwortlich für Ausverkauf
• Cam Hui sieht mögliche Bodenbildung

Nachdem die internationalen Aktienmärkte schon in der letzten Woche herbe Verluste einstecken mussten, ging es an diesem Montag nochmal deutlich drastischer abwärts. Insbesondere der japanische Leitindex Nikkei 225 bekam das volle Ausmass der Börsenpanik zu spüren und fiel zum Handelsschluss 12,4 Prozent auf 31'458,42 Punkte, was den grössten Tagesverlust seit rund 37 Jahren darstellte. Der deutsche Leitindex DAX schrammte im Tagestief derweil nur knapp an der 17'000er Marke vorbei. Und auch in den USA verliessen Dow Jones und NASDAQ Composite den Handel tiefrot.

Mehrere Faktoren hatten den rasanten Abverkauf angestossen. So geht in den USA weiterhin die Angst vor einer Rezession um. Noch einmal mehr angefacht wurden die Sorgen am vergangenen Freitag, als der US-Arbeitsmarktbericht für den Monat Juli veröffentlicht wurde und ein erschreckend schwaches Bild zeichnete. Zu diesen Wirtschaftssorgen gesellen sich geopolitische Spannungen, die insbesondere im Nahen Osten zunehmend zu eskalieren drohen. Auch die aktuell laufende Berichtssaison trug zum jüngsten Ausverkauf bei. So konnten zahlreiche Techgrössen mit ihren jüngst veröffentlichten Quartalszahlen nicht überzeugen, was bereits zu einer deutlichen Korrektur bei heiss gelaufenen Techtiteln geführt hatte.

Carry Trades wichtige Ursache des Montagscrashs

Doch es war noch ein anderer Faktor, der das sprichwörtliche Fass schliesslich zum Überlaufen brachte. Vor Kurzem entschied die Bank of Japan den kurzfristigen Leitzins von einer Spanne von null bis 0,1 Prozent auf 0,25 Prozent anzuziehen, ein Schritt, der Marktbeobachter überraschte, da sie von einer Beibehaltung dieser Bandbreite ausgegangen waren. Gleichzeitig wurde verkündet, dass die monatlichen Anleihekäufe bis zum ersten Quartal 2026 auf etwa 3 Billionen Yen (18,4 Milliarden Euro) reduziert werden sollen, was dem Finanzsystem Liquidität entzieht. In der Folge legte der japanische Yen zu: Innerhalb des letzten Monats ist die Währung gegenüber dem US-Dollar um 9,7 Prozent gestiegen.

Die Aussicht auf steigende Zinsen sowie die Aufwertung der japanischen Währung wirkten sich gravierend auf zahlreiche Inhaber von sogenannten Carry Trades weltweit aus. Bei Carry Trades suchen sich Anleger ein Land mit einer Niedrigzins-Währung aus, um hier Kredite in der schwachen Währung aufzunehmen. Anschliessend werden die Kredite eingesetzt, um Investments in anderen Ländern zu tätigen, die hohe Renditen anbieten. Der japanische Yen galt dabei jahrelang als äusserst beliebt für solche Carry Trades, da er konstant niedrig notierte und wenig Volatilität aufwies.

Mit der starken Aufwertung des Yen wurden diese Carry Trades nun jedoch viel weniger lukrativ, weshalb sich schon in den letzten Wochen immer mehr Anleger entschieden, ihre Trades abzuwickeln. Am Montag wurden es dann so viele Abwicklungen von Carry Trades, dass unter den Anlegern Panik ausbrach und die Börsen crashten. Auf diese Weise kamen auch alle möglichen anderen Anlageklasse wie Aktien, Gold oder auch Kryptowährungen unter starken Druck, da sie zur Abwicklung der Carry Trades flüssig gemacht werden mussten.

Aktienmärkte weiter im Sog des japanischen Yen?

Nun ist natürlich die Frage, ob der Überhang an Carry Trades mittlerweile abgewickelt wurde, an den Aktienmärkten also wieder mehr Ruhe einkehrt, oder die Märkte der Spielball des japanischen Yens bleiben werden. Laut Kit Juckes von der Société Générale handelte es sich bei den Carry Trades am Montag um die grössten, die es in der Welt jemals gegeben habe, wie er in einem Bericht, der CNBC vorliegt, schreibt. Wie Commerzbank-Experte Michael Pfister gegenüber N-TV erklärt, hatte der Trend hin zur Abwicklung von Carry Trades jedoch schon vor vier Wochen begonnen, sich dann jedoch kontinuierlich weiter verstärkt, insbesondere nach dem jüngsten Zinsentscheid der BoJ. So meint Pfister, dass Schätzungen zufolge bereits die Hälfte der ausstehenden Carry Trades in den letzten Wochen abgewickelt worden sei. Seiner Meinung nach, könnte die Auflösung solcher Trades jedoch eher mittelfristig als kurzfristig zu beobachten sein, "wenn die Bank of Japan weiter erhöht, aber einiges muss da noch abgewickelt werden", so der Devisenexperte. Alternativwährungen für solche Carry Trades seien hingegen Mangelware. Es gäbe noch den Schweizer Franken, der jedoch bereits stark nachgefragt sei.

Cam Hui sieht verschiedene Szenarien

Bleiben die Märkte also der künftigen Entwicklung des japanischen Yen ausgeliefert? Jein, meint Marktexperte Cam Hui in einem Beitrag bei MarketWatch. Bei einem Blick auf den US-Aktienmarkt offenbaren sich Bullen- sowie Bärenszenarios. So argumentieren die Bullen, dass das Abwärtsrisiko mittlerweile begrenzt sei - ausgenommen eines ausserordentlichen Ereignisses. Auch mit Blick auf die konventionelle technische Analyse des US-Index S&P 500 gehe hervor, dass dem US-Aktienmarkt eine Bodenbildung bevorstehen dürfte und kurzfristige Abwärtstrends begrenzt seien, erklärt Cam Hui. Auf der anderen Seite würden Bären anführen, dass das Chart des Börsenbarometers ein Insel-Umkehrmuster mit einem Ziel von 5'100 Punkten aufweisen würde.

Mit Blick auf die laufende Berichtssaison für das zweite Quartal 2024 würden die 12-Monats-Schätzungen für den Gewinn pro Aktie in den USA steigen, was wiederum für einen fundamental getragenen Schwung stehen würde. Auf der anderen Seite würden die Umsatzübertreffungsraten weit unter den historischen Normen liegen, gibt Hui zwei weitere Einschätzungen wieder.

Der Investment-Blogger gibt ausserdem zu bedenken, dass die Frage bleibt, was einen Rebound der Aktienmärkte antreiben könnte, wenn es dazu kommen sollte. Die Rally in 2024 wurde bislang insbesondere durch den anhaltenden KI-Hype getragen. Der Marktexperte jedoch ist nicht davon überzeugt, dass die Begeisterung angesichts der Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz die Märkte noch einmal höher trägt. Stattdessen rät der MarketWatch-Kolumnist dazu, einen Blick in RichtungSmall Caps und Value-Aktien zu werfen, da insbesondere Small Caps ihren 50-Tage-Moving-Average gehalten hätten, während der S&P 500 seinen verletzt hätte. So fasst der Marktexperte in seinem Beitrag zusammen: "Derzeit ist die Risikobereitschaft von einer anlageübergreifenden Carry-Trade-Panik geprägt, und eine Bodenbildung ist nahe. Der Aktienmarkt ist ausreichend überverkauft und bereit für eine Erholungsrallye. Sofern kein unerwartetes exogenes Ereignis eintritt, ist das Abwärtsrisiko auf diesen Niveaus begrenzt. Erwarten Sie eine kurzfristige Erleichterungsrallye bei Aktien bis in den August hinein, angeführt von Small Caps und Value-Aktien."

Redaktion finanzen.ch

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