Kontaktloses Bezahlen |
05.04.2020 23:13:00
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Bargeld verpönt: Corona gibt Rückenwind für Geschäft von Wirecard & Co.
Bargeld geht durch viele Hände - in Zeiten, in denen Hygiene und Virenschutz ganz oben auf der Agenda stehen, verlieren Euroscheine und -münzen bei den sonst so bargeldaffinen Deutschen daher zunehmend an Relevanz. Das könnte Unternehmen wie Wirecard in die Karten spielen.
• Zahlreiche Profiteure am Markt
• Neben Wirecard und Kreditkartenanbietern auch Techriesen mit Vorteilen
Bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie war bargeldoses Bezahlen ein grosses Thema. Doch während es in vielen Ländern üblich ist, auch Kleinstbeträge mit der Karte zu zahlen, halten beispielsweise viele Deutsche an Bargeld fest. Obwohl rund 94 Prozent der Deutschen eine Girocard besitzen, griffen noch im vergangenen Jahr insbesondere Menschen in der Altersklasse 45+ lieber zu Scheinen und Münzen als zu ihrer Giro- oder Kreditkarte, wie aus einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach hervorgeht. Die Umstellung auf eine rein bargeldlose Bezahlung würde vor allem der älteren Generation schwerfallen: Knapp drei Viertel von ihnen gaben an, sich damit schwer zu tun, während 67 Prozent der 16- bis 29-Jährigen damit keine Probleme haben, ergab die Umfrage weiter. "Die Art des Bezahlens hierzulande scheint also noch eine Generationenfrage zu sein", so das Ergebnis der Studie.
Corona als Katalysator
Doch der Wandel zum bargeldlosen Bezahlen ist auch in Deutschland zu spüren. Mit fortschreitender Technik, ist auch die Zahl derer, die diese nutzen, immer weiter gestiegen. Apple ist mit seinem Bezahlsystem Apple Pay auch auf dem deutschen Markt aktiv, auch Google Pay ist seit geraumer Zeit in Deutschland nutzbar. Kreditkarten gibt es bereits seit Jahrzehnten, die Girokarte findet sich in nahezu jedem deutschen Geldbeutel.
Einen echten Schub für das bargeldlose Zahlen könnte nun aber ausgerechnet das neuartige Coronavirus COVID-19 mit sich bringen. Denn aus Angst vor einer Ansteckung verzichten derzeit viele Menschen auf Bargeld. Zwar wird das Virus aktuellen Erkenntnissen zufolge vorrangig über Tröpfcheninfektion verbreitet, Schmierinfektionen sind aber denkbar. Die Europäische Zentralbank hält die Gefahr der Ansteckung durch Bargeld zwar für nicht besonders gross und auch das Bundesinstitut für Risikobewertung betonte zuletzt: "Aufgrund der relativ geringen Stabilität von Coronaviren in der Umwelt ist dies nur in einem kurzen Zeitraum nach der Kontamination wahrscheinlich." Angst und Unsicherheit bleiben bei vielen Menschen aber dennoch.
Daher gibt es auch an den Supermarktkassen nun erste Reaktionen: In einigen Supermärkten appellieren die Betreiber an ihre Kunden, wenn möglich auf Bargeldzahlung zu verzichten.
Oh. Aldi Süd wirbt kräftig für Kartenzahlung pic.twitter.com/nbHvfqzdoB
- dabnl (@dabnl1) March 14, 2020
Unternehmen profitieren vom neuen Trend
Bei vielen Deutschen scheint - ungeachtet der Tatsache, dass bislang offiziell keine Fälle bekannt sind, in denen sich Menschen mit Viren, die auf Bargeld zu finden waren, angesteckt haben - bereits ein Umdenken stattgefunden zu haben. In den vergangenen Tagen sei mehr als die Hälfte aller Girocard-Zahlungen kontaktlos durchgeführt wurden, sagte eine Sprecherin der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) der Deutschen Presse-Agentur. Im Dezember habe dieser Anteil noch bei 35 Prozent gelegen.
Der neue Trend könnte möglicherweise ein nachhaltiges Umdenken in Deutschland auslösen und sich auch nach Corona fortsetzen. Profiteure der Entwicklung sind dabei insbesondere Unternehmen, die im Bereich Zahlungsdienstleistungen ihr Geld verdienen.
Eines der grössten Unternehmen in diesem Bereich ist der Zahlungsdienstleister Wirecard. Der DAX-Konzern ist auch eines der wenigen Unternehmen, das seine Jahresprognose aktuell noch nicht in Frage gestellt hat. Denn die Geschäfte laufen gut, wie auch Wirecard-Chef Markus Braun zuletzt bestätigt hatte. Das Unternehmen profitiert gleich in zweifacher Hinsicht von den Folgen der Pandemie: Angesichts des Lockdown in vielen Ländern der Welt gibt es eine starke Entwicklung im Bereich Online-Handel. Auf der Homepage im verhältnismässig neu geschaffenen Transparenz-Bereich heisst es, man habe einen starken zusätzlichen Anstieg der Onlinetransaktionen in Asien und Europa feststellen können.
Zeitgleich ist es der Trend zu digitalen Zahlarten, von denen Wirecard profitiert. Denn damit verdient das Unternehmen Geld: Indem es Zahlungsdienstleistungen für Unternehmen übernimmt, die nicht nur im Online-Geschäft aktiv sind, sondern auch Abseits des Internets Dienstleistungen anbieten.
Auch Kreditkartenanbieter wie MasterCard oder American Express sind Profiteure der aktuellen Bargeldabneigung. Zahlen mehr Menschen Dienstleistungen und Waren mit ihren Kreditkarten, dürfte wohl auf der einen Seite der Kundenstamm wachsen, auf der anderen Seite wird sich dies auch positiv auf die Umsätze auswirken, denn jedes Mal, wenn Kunden eine Ware oder Dienstleistung mit ihrer Kreditkarte bezahlen, erhalten die Anbieter der Karten eine vorab vereinbarte Umsatzbeteiligung vom jeweiligen Händler. Hinzu kommt unter Umständen eine Jahresgebühr von Seiten des Kunden, auch wenn zwischenzeitlich viele kostenlose Kreditkartenangebote existieren. Bietet etwa eine deutsche Bank aber eine Karte mit Visa, MasterCard oder American Express-Branding an, lassen sich die Anbieter der Kreditkarten auch dies wieder bezahlen.
Neben den offensichtlichen Profiteuren des Bargeldlos-Trends gibt es auch Unternehmen abseits der Finanzbranche, die als Gewinner aus den aktuellen Entwicklungen hervor gehen könnten. Auf technischer Seite ist da zum Beispiel NXP Semiconductors zu nennen. Der niederländische Konzern hat sich unter anderem auf den Bereich Near Field Communication spezialisiert, eine Technik, die kontaktlosen Datentransfer ermöglicht und bei zahlreichen Zahlungsdienstleistern im digitalen Bereich zum Einsatz kommt. NFC gilt global als Technologiestandard für diesen Bereich, auch Wirecard hat NFC-Lösungen im Einsatz.
Und auch Techriesen wie Apple oder Google könnten als Profiteure aus der Corona-Krise hervorgehen - und das, obwohl bei dem iKonzern weltweit Fabriken still stehen und Google möglicherweise einen enormen Einbruch in seinem Werbegeschäft verkraften muss. Als Anbieter von Bezahlsystemen wie Apple Pay und Google Pay profitieren die US-Riesen vom Trend zu kontaktlosen Bezahllösungen. Bislang nutzen in Deutschland nur wenige Kunden die App-Dienste der US-Konzerne: Das könnte sich jetzt und nach Corona ändern, möglicherweise verhilft die Pandemie den Diensten fürs Smartphone endgültig zum Durchbruch.
Offen ist, inwieweit insbesondere die Deutschen ihre Bezahlvorlieben wieder umstellen, wenn die Pandemie eingedämmt und Bargeld wieder kritikloser verwendet werden darf. Es ist aber anzunehmen, dass zumindest ein Teil der Kunden ihr Bezahl- und Einkaufsverhalten dauerhaft umstellen wird - insbesondere dann, wenn die Unternehmen der Branche die Chance nutzen und Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Sicherheit aus dem Weg räumen.
Redaktion finanzen.ch
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