«China wird uns weiter beschäftigen»

Gibt es Einflüsse der Vorwoche, welche an der Börse nachwirken werden?
Christina Böck*: Die Volatilität der Aktienmärkte der letzten zwei Wochen, die mit der Korrektur der Märkte in China begann wird uns weiter beschäftigen. Denn auch wenn die Bewegung an sich völlig übertrieben erscheint - immerhin findet der Shangahi Composite nur seine Niveaus vom März wieder - so geschehen doch gleichzeitig grundsätzlich wichtige Dinge, insbesondere strukturelle Massnahmen der chinesischen Regierung wie die Änderung des Devisenregimes.

Welche Ereignisse werden die kommende Woche prägen?
Angesichts der Transition der chinesischen Wirtschaft hin zu einer mehr von internem Nachfrage angetriebenen mit einem grösseren Anteil von Wertschöpfung sowie einer stärker liberalisierten Wirtschaft gibt es einen weiteren Anpassungsbedarf der Finanz- und Geldmarktmechanismen. Ob es schon nächste Woche Neuigkeiten dazu gibt es jedoch unklar. Je mehr die Aktienmärkte weiter ausschlagen, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Wie ihre internationalen Äquivalente! Die Schweizer Börse ist jedoch immer schon ein eher defensiver Markt gewesen. Und so wird der Schweizer Markt weniger leiden, sollte die Korrektur fortschreiten. In solchen Phasen starker Schwankungen treten heimische Faktoren typischerweise in den Hintergrund.

Welche Schweizer Unternehmen/Branchen stehen in nächster Zeit besonders im Fokus?
Nach der Veröffentlichung guter Zahlen in der Schweiz für das zweite Quartal gekoppelt mit einem in den letzten Wochen schwächeren Franken könnte die Exportbranche etwas aufatmen. Daher dürften Industriewerte in der nächsten Zeit Kapital anziehen und in jedem Marktszenario den Gesamtmarkt überperformen.

Ihr Ratschlag für Anleger - wo bieten sich Chancen?
Da langfristig die Wachstumsaussichten in den Industrienationen von den chinesischen Aktienmärkten nicht wirklich abhängen, so ist die Korrektur in den Aktien eine gute Gelegenheit wieder einzusteigen. Angesichts der besseren Dynamik der Unternehmensprofite in Europa bieten sich hier sehr gute Einstiegschancen in der Korrektur. Der amerikanische Markt hingegen ist nun wieder gesünder bewertet, allerdings haben die Gewinne weniger Potenzial nach oben.

Wo sehen Sie Risiken?
Weitere übertriebene Reaktionen auf chinesische Neuigkeiten sind nicht auszuschliessen, dürften aber an Bedeutung verlieren. Insbesondere ist das Wiederaufflammen der Griechenlandkrise aufgrund der Neuwahlen zu nennen, aber auch die erneuten Anfeindungen im ukrainisch-russischen Konflikt stellen ein Risiko dar.

Wie schätzen Sie die Entwicklung an der Schweizer Börse über die nächsten 12 Monate ein?
Abgesehen von diesen Risiken ist weiter die grundsätzliche Perspektive des Wachstums in Nordamerika und Europa positiv - kein Boom, aber solides Wachstum. Dieses paart sich in Europa mit wirklichem Potenzial für Wachstum der Unternehmensprofite. Die Schweiz wird tendenziell trotz der Frankenproblematik profitieren und wir sehen die Aktien steigen. Dennoch muss man sich aufgrund der momentan vielen verschiedenen Risiken auf grosse Schwankungen einstellen.

*Christina Böck ist Head Solution Strategists Central Europe und CIO Schweiz bei der AXA Investment Managers Switzerland AG. Seit 2012 berät sie institutionelle Kunden in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich. Gleichzeitig ist sie für die Investitionstätigkeiten der AXA Investment Managers Schweiz AG verantwortlich.