Kritik nach Ausfällen |
23.03.2020 18:55:00
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Nach Pannenserie und erneuter Belastungsprobe: Swisscom in der Bredouille
Für den heimischen Telekomriesen kommt es knüppelhart: Nach zwei grossen Netzausfällen wurde die Politik auf den Plan gerufen - Änderungen mussten her. Doch eine weitere Belastungsprobe steht der Swisscom nun nur einige Wochen später ins Haus.
• Panne durch "mehrfaches menschliches Versagen"
• Erneute Belastungen durch Coronakrise verursacht
Das Vertrauen in den Schweizer Telekomriesen Swisscom ist angekratzt. Schuld sind zwei flächendeckende Netzausfälle - in manchen Kantonen fielen sogar zeitweise die Notrufdienste aus. Diese Panne rief auch den Bund auf den Plan, der 51 Prozent an Swisscom hält. Zu allem Übel kommt aktuell auch noch die Coronakrise, die die Netze auf eine erneute Belastungsprobe stellt, an der diese zu scheitern drohen. Doch zunächst ein Rücklick, wie Swisscom bereits vor einigen Wochen erheblich in Kritik geriet:
Netzwerkausfälle führen zu Kritik an Swisscom
Nach zwei Pannen, von denen eine durch "mehrfaches menschliches Versagen" verursacht worden sein soll, musste Swisscom-Chef Urs Schaeppi zu einem Eignergespräch mit Bundesrätin Simonetta Sommaruga erscheinen, berichtete die Neue Zürcher Zeitung Ende Februar. Der Verwaltungsrat habe in diesem Zuge klären wollen, ob der Posten des CEO noch mit der richtigen Person besetzt wäre. Die Spannungen und der Unmut wären klar, es dürfe zu keiner dritten Panne kommen, hiess es, während nach Ursachen und Erklärungen gesucht wurde. Frank Dederichs, Leiter des Bereich Cloud Engineering & Operations, betonte NZZ zufolge, zurückweisen zu können, dass Swisscom am Unterhalt der Netze gespart habe. "Wir investieren jährlich 1,6 Mrd. Fr. in unsere Netze in der Schweiz", zitiert ihn die Zeitung. Neben neuen Zugängen fliesse das Geld genauso in den Ausbau des Kernnetzes und in die Redundanzen.
Doch wieso kam es trotzdem zu den Ausfällen? Im Swisscom-Netz seien zwar wichtige Komponenten mehrfach vorhanden, das sei aber nicht immer zielführend. "Es nützt wenig, fünf Reserveräder mitzuführen", habe Dederichs versinnbildlicht. "Im Zusammenspiel können Massnahmen für mehr Redundanz auf verschiedenen Ebenen dazu führen, dass die Situation verschlimmbessert wird."
Technologie im Wandel: Herausforderung für die Netze
Die Netze seien im Allgemeinen störungsanfälliger geworden, berichtet die NZZ. Einfluss nehme dabei der technologische Fortschritt: keine telefonische Punkt-zu-Punkt-Verbindung mehr, sondern Voice over IP ist nun der Standard bei Telefonaten. Das Problem dabei: Es gibt keine Notstromspeisung - ist der Strom nicht mehr vorhanden, liegt auch das Telefon lahm. Ist das der Fall, bleibt aber auch das Handy nur noch so lange funktionstüchtig, wie die Batterien der Mobilfunkanlagen bei grösseren Stromausfällen durchhalten - eine Stunde sei das, verlautet NZZ.
Eine weitere Herausforderung sei die Geschwindigkeit, in der es zu Änderungen im Netz kommt: das Tempo zwischen Software-Updates werde schneller, während die Hardware eine kürzere Lebensdauer aufweise. Um mit den wachsenden Datenvolumina fertig zu werden, befinde sich das Netz in einem steten Ausbau. Stehen Änderungen an, müssen empfindliche Entscheidungen getroffen werden, wie ohne Schäden vorgegangen werden kann - hierbei könne es zu Fehleinschätzungen kommen, schreibt die NZZ. Dabei gehe es in erster Linie um die Last, die mit Softwareupdates einhergingen. Nach den flächendeckenden Ausfällen, aus denen ernsten Eignergespräch resultierten, gelobte Swisscom Besserung, eine Garantie gebe es jedoch nicht.
"Jeder, der sagt, es wird nichts mehr passieren, ist weit weg von der Realität"
Brachte Dederichs laut NZZ die Situation auf den Punkt. Es könne lediglich dafür gesorgt werden, dass eine erneute grosse Störung weniger wahrscheinlich werde. Folglich sollten das regelmässige Kontrollieren der Redundanzen, die Verbesserung der Widerstandsfähigkeit sowie die Hinterfragung der Qualitäts- und Sicherheitskultur als Massnahmen aus der Pannensituation mitgenommen werden, schreibt die Zeitung.
Zwar äusserte Dederichs bereits indirekt, man könne nicht davon ausgehen, dass solche Ausfälle nicht mehr passieren, doch kam eine erneute Belastungsprobe wohl weitaus schneller als gedacht - und zwar in Form von Covid-19.
Coronakrise führt zu Netzwerküberlastung
Unterbrochene Gespräche sowohl via Festnetz als auch über Mobiltelefone: die Überlastung des Swisscom-Netzes führte vor einigen Tagen zu erneuten Störungen. Da immer mehr Leute von Zuhause aus arbeiten, fliessen dreimal mehr mobile Anrufe über das Swisscom-Netz als gewöhnlich, berichtet die Seite Telebasel. Auch die Anzahl der Telefonate über Festnetz sei massiv in die Höhe geklettert - die Systeme wurden überlastet. Privat- wie Geschäftskunden mussten deshalb Störungen während ihrer Gespräche erleben.
Die Swisscom verlautete, Massnahmen ergriffen zu haben: die Überwachung der Netze laufe engmaschiger. Doch wie sich das Telekommunikationsverhalten der Kunden in nächster Zeit weiterentwickle, sei schwer abzuschätzen. Denkbar seien deshalb auch Probleme beim Internet-Datenverkehr. Swisscom wolle seinen Kunden auf Nachfrage mehr Bandbreite bereitstellen, sollten die physikalischen Leitungen genügen. Doch die Priorität liege in der Versorgung des Landes - sprich Kunden, die einen zentralen und systemrelevanten Dienst in Verbindung mit der Landesversorgung einnehmen.
Streamen belastet - bald kein Netflix mehr?
Doch im Vergleich zum Streaming nehme Homeoffice nur einen relativ kleinen Anteil der Daten-Netz-Infrastruktur ein - das Streamen via Netflix oder den TV verschlinge durch den datenintensiven Verkehr mehr Ressourcen. Die ausserordentliche Situation beim Telekommunikationsriese spitzt sich somit weiter zu. In einem Appell richtet sich der Konzern an die Vernunft der Kunden: "Wir arbeiten intensiv an einer Kapazitätserweiterung und bitten unsere Kunden um eine vernünftige und verantwortungsvolle Nutzung der Telekommunikationsnetze." Sei dies nicht der Fall, habe der "Bund die Möglichkeit, nicht versorgungsrelevante Dienste einzuschränken oder zu blockieren", zitiert NZZ den Bundesrat. Das könnte dementsprechend auch Netflix und andere Streaming-Anbieter treffen.
Nun lautet die Devise für alle Datensparsamkeit: Um die Netze nicht mit "Freizeitverkehr" zu überlasten, soll Leuten im Homeoffice oder beim E-Learning die Kapazität vorbehalten bleiben. Gemeinsam mit Sunrise veröffentlichte Swisscom kürzlich eine Stellungnahme, denn beide Telekommunikationskonzerne sind von der Situation betroffen. In Spitzenzeiten stelle man punktuell Kapazitätsengpässe fest, insbesondere an "Interkonnektionspunkten" - die Vernetzung könnte folglich also durchaus besser sein. Beide Konzerne versicherten jedoch, daran zu arbeiten, die Kapazität zu erweitern und eine Verbesserung der Lage zu erzielen.
Swisscom steht so nach einem eh schon angekratzten Konzernbild erneut in der Bredouille. Doch nun könnte der Streaming-Gigant Netflix dem Netzbetreiber unter die Arme greifen: Das US-Unternehmen verkündete am Donnerstag, seinem Video-Streamingdienst in Europa zunächst für 30 Tage drosseln, um die Netze in der Coronavirus-Krise zu entlasten. Das dürfte zumindest einen Teil der Belastung senken.
Redaktion finanzen.ch
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