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Experten-Kolumne 24.08.2017 09:33:49

Renten lassen sich nicht durch Gesetze finanzieren

Kolumne

Am 24. September wird das Schweizer Volk über die Rentenreform 2020 abstimmen. Gemäss jüngsten Umfragen der SRG und des Forschungsinstitutes Gfs liegen die Befürworter leicht vorn und die Vorlage würde mit knapper Mehrheit angenommen.

Unabhängig vom Abstimmungsausgang steht allerdings fest: Die steigende Lebenserwartung und das Tiefzinsumfeld wirken sich nicht nur negativ auf die nachhaltige Finanzierung der AHV aus, auch die zweite Säule leidet. Beide Faktoren kann die Politik nicht direkt beeinflussen, obwohl dies dem Wähler im Abstimmungskampf suggeriert wird. Geradezu realitätsfremd schlägt das revidierte Gesetz dank fixiertem Umwandlungssatz garantierte Renten im obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge vor. Diese sind mit risikoarmen Anlagen jedoch nicht zu finanzieren, werfen doch erstklassige Frankenobligationen gegenwärtig keine oder gar Minusrenditen ab. Plakativ gesagt: Auch garantierte Renten bringen keine steigende Anlagerenditen und noch weniger eine sinkende Lebenserwartung! Wichtig ist daher vielmehr, dass die Leitungsorgane von Pensionskassen den Gesundheitszustand ihrer Kassen laufend überprüfen. Sie müssen umdenken, wenn sie die Renten ihrer Versicherten langfristig sichern wollen! So ist es die Pflicht der Stiftungsräte von Pensionskassen, laufend zu prüfen, ob die gewählte Anlagestrategie die erforderliche Rendite langfristig abwerfen kann, um den Leistungsverpflichtungen gegenüber Aktivversicherten und Pensionären nachzukommen. Denn Leistungen lassen sich nachhaltig nur über die Anlageperformance finanzieren, diese wiederum kann nur über die Optimierung von Rendite und Risiko auf Portfolioebene gesteuert werden. Gibt die erwartete (und natürlich auch tatsächliche) Anlageperformance die Finanzierung der Leistungen nicht her, führt kein Weg an der Anpassung technischer Parameter vorbei, konkret der Senkung des Umwandlungssatzes, um nicht Pensionäre zulasten der Aktivversicherten zu bevorzugen.

Gesunde Pensionskassen zeichnen sich durch eine ausgewogene Altersstruktur, positiven Cashflow und damit einhergehend, den langen Anlagehorizont aus. Einnahmen aus Versicherungsbeiträgen, Zins- und Dividendenzahlungen übersteigen Renten- und Kapitalauszahlungen. Das macht Pensionskassen zu prädestinierten Aktienanlegern, da sie die mit dieser Anlageklasse verbundene Volatilität tragen können. Sie können auch eine Baisse durchstehen ohne Notverkäufe tätigen zu müssen und kommen so in den Genuss lukrativer langfristiger Anlagerenditen. Auch erlaubt der lange Anlagehorizont von der Illiquiditätsprämie langfristiger Anlagestrategien zu profitieren. Nicht liquide Private Equity Anlagen, beispielsweise, versprechen - und liefern - Renditen, die netto rund drei bis fünf Prozent über börsennotierten Aktienanlagen liegen. Infrastrukturanlagen, wie Investments in erneuerbare Energien, Fernwärmenetze, Kommunikations- oder Transportinfrastruktur wie Brücken oder Mautstrassen, welche von staatlich garantierten Einspeisetarifen oder (Quasi-)Monopolsituationen profitieren, haben einen langen Anlagehorizont. Investoren werden mit stetigen Cashflows entschädigt, welche - abhängig von der Finanzierungsstruktur - ein paar Prozentpunkte über Obligationenrenditen liegen. Diese paar Prozentpunkte mehr zahlen sich für die Versicherten aus: Ein über dreissig Jahre angelegter Vorsorgefranken vermehrt sich auf rund 1,8 Franken, wenn man eine jährliche Rendite von zwei Prozent zugrunde legt, bei einer vierprozentigen Verzinsung resultieren 3,2 Franken. Ein Riesenunterschied!

Erstaunlich ist daher, dass die Entscheidungsorgane der meisten Pensionskassen die Anlagestrategie nicht auf nachhaltige Renditeerzielung im Interesse der Versicherten ausrichten, sondern auf die vermeintliche Beschränkung des Risikos: Im Durchschnitt werden lediglich rund 30 Prozent der Vorsorgegelder in Aktien, dafür über 50 Prozent in Obligationen angelegt. Diese Veranlagung war über die letzten zwei Dekaden nachvollziehbar und teilweise auch sinnvoll, boten doch Obligationen eine stete Verzinsung mit geringem Risiko, sinkende Zinsen resultierten in stattlichen Kursgewinnen. Diese Zeiten sind vorbei, Negativrenditen und die Aussicht auf steigende Zinsen prägen das Anlageumfeld. Zu Recht wird daher in der jüngsten Studie der Bankiervereinigung Schweizer Pensionskassen geraten, ihre veralteten Anlagestrategien den künftigen Renditeerwartungen verschiedener Anlageklassen anzupassen und entsprechend ihre Obligationenbestände zu reduzieren.

An Obligationen wird - trotz historisch geringster Verzinsung - aus Sicherheitsüberlegungen festgehalten, wirkt doch die tiefe Volatilität stabilisierend auf das Portfolio und sollte insbesondere Kurseinbrüche an den Aktienmärkten abfedern. Und doch, der Schein trügt. Aktuell werden Investoren kaum mehr fair für das eingegangene Risiko entschädigt. Liquiditätsschwemme und Nullzinspolitik der Notenbanken drücken auf die Rendite, das Verlustrisiko bleibt. Bereits ein geringer Zinsanstieg führt zu erheblichen Kursverlusten, dies ist besonders schmerzhaft bei hochqualitativen Obligationen, die aktuell zu Minusrenditen gehandelt werden. Nicht überraschend machen Investoren auf der Suche nach Rendite Kompromisse in punkto Bonität und gehen so hohe Risiken ein. Am Junkbond Markt zeigte sich letzte Woche ein Beispiel für die Ausfallrisiken am Obligationenmarkt: Nach der Insolvenzanmeldung von Air Berlin verlor die Frankenanleihe der Airline (mit einer Coupon-Rendite von lediglich 5.625%) über 80 Prozent! Inzwischen ist klar, dass die Investoren mit einem Totalverlust rechnen müssen. Standen früher Obligationen für tiefe Renditen bei tiefem Risiko, gilt dies heute nicht mehr uneingeschränkt.

Autorin Mirjam Staub-Bisang, Präsidentin Stiftungsrat, Profond Vorsorgeeinrichtung.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.

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