SMI
Bärenmarkt |
01.11.2022 22:43:00
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"Rezession noch nicht eingepreist": Experte rechnet mit weiterem Kursverfall bei Schweizer Aktien
In den vergangenen Handelstagen konnten sich Anleger weltweit über eine Herbstrally freuen. SMI, DAX, Dow Jones & Co. liegen nun mehrere Prozentpunkte über ihren Jahrestiefstständen. Die Erholungsbewegung sei aber nur ein Strohfeuer: Viel tiefere Kurse werden noch folgen, ist sich der Schweizer Ökonom Daniel Hartmann sicher. Was bringt ihn zu dieser Überzeugung?
• Börsen dürften um weitere 20 Prozent einbrechen
• Als Reaktion auf die Wirtschaftsabkühlung werden Fed, EZB & Co. die Zinserhöhungen beenden
Die in diesem Jahr leidgeprüften Anleger dürften angesichts der jüngsten Kursgewinne hoffen, dass sie das Schlimmste nun hinter sich haben und die Kurse von nun an wieder nach oben gehen werden. Immerhin mehren sich die Anzeichen dafür, dass die internationalen Notenbanken, allen voran die Fed, von ihrer extrem restriktiven Geldpolitik der vergangenen Monate künftig ein wenig Abstand nehmen werden, die intensivste Phase der Zinserhöhungen wäre somit vorüber. Auch die Öl- und Gaspreise haben zuletzt eine rückläufige Tendenz gezeigt. Doch laut Bantleons Chefvolkswirt Daniel Hartmann haben die internationalen Börsen noch längst nicht die Tiefststände gesehen - vielmehr werden sie noch deutlich tiefer fallen.
Hartmann: 2023 wird ein Jahr der Rezession
Die Anleger unterschätzten die Rezessionsgefahr, betonte Hoffmann in einem Interview mit der "Handelszeitung". "Die Rezessionsrisiken werden sowohl von den Marktteilnehmern als auch von den Notenbanken unterschätzt. Die Leute glauben, dass schon einiges Ungemach in den Kursen enthalten ist, Aktien günstig sind und man wieder einsteigen kann", so Hoffmann. Dies sei aber eine Fehlannahme. Erst mit dem konjunkturellen Tiefpunkt sei der Zeitpunkt zum Einstieg gekommen - und dieser sei noch längst nicht erreicht. Die Talsohle werde frühestens Mitte 2023, eher Ende 2023 durchschritten sein, erwartet Hoffmann. Damit würden zwei sehr schwache Börsenjahre aufeinanderfolgen: "2022 wegen des Zinsschocks, 2023 wegen der Rezession," so Hoffmann.
So tief könnten SMI, DAX & Co. fallen
Hartmann rechnet deshalb damit, dass der Börsenabverkauf noch längst nicht zu Ende ist. Vielmehr werde es mit den globalen Aktienmärkten noch deutlich tiefer gehen, meint der Ökonom. Für den heimischen Leitindex, den SMI, rechnet Hoffmann mit einer Talfahrt bis auf die 8'200 Punkte-Marke. Der DAX werde bis auf 10'000 abrutschen und beim S&P 500 dürfte der Ausverkauf erst bei einem Niveau von 3'000 Punkten ein Ende finden, lautet seine pessimistische Prognose. An den aktuellen Kursständen gemessen wäre dies jeweils ein Verlust von mehr als 20 Prozent. Von den Rekordständen her betrachtet, würden sich die Einbussen - sollte Hoffmann mit seinen Vorhersagen richtig liegen - dann auf etwa 40 Prozent je Index belaufen. Genauer gesagt würde ein Abrutschen des SMI auf 8'200 Punkte einen Gesamtverlust von 36,9 Prozent zum bisherigen Rekordhoch bei 12'997 Punkten vom 3. Januar 2022 bedeuten.
Rezession voraus - So dürften die Notenbanken reagieren
Die Rezession werde sich Hoffmann zufolge in abnehmender Konsumlaune und steigenden Arbeitslosenzahlen äussern. Obwohl der Arbeitsmarkt besonders hierzulande und in den USA noch eine sehr grosse Resilienz zeige, deuteten bereits einige Frühindikatoren eine Abkühlung an. "Unser Index für die Gewinnmargen ist so deutlich nach unten gerichtet wie selten zuvor", warnte Hoffmann. "Analysten gehen immer noch davon aus, dass es 2023 ein Gewinnwachstum gibt, diese Einschätzung teile ich überhaupt nicht." Der Energiepreisschock, die Erhöhung der Löhne ebenso wie der Zinsen könnte nur zu "etwas Negativem führen" - die globale Rezession werde definitiv kommen, lautet Hoffmanns Prognose. Wie stark wird der Wirtschaftsabschwung ausfallen? "Derzeit rechne ich für 2023 mit BIP-Einbussen von einem Prozent, aber es könnte deutlich mehr werden. Das wahre Ausmass zeigt sich erst in den kommenden Monaten. Die Schweiz könnte mit einer leichten Rezession davonkommen", so Hoffmann.
Um die konjunkturelle Lage nicht noch weiter in den Ruin zu treiben, werden die Notenbanken deshalb früher als bislang erwartet auf die Zinsbremse treten, ist sich Hoffmann sicher. Trotz der derzeitigen Debatte gehe der Markt weiterhin von zu vielen Zinsschritten aus. Hoffmanns Erwartungshaltung: "Ich denke, in der Eurozone ist nicht bei 3, sondern bei 1,5 bis 2 Prozent Schluss." Die internationalen Notenbanken werden sich somit gezwungen sehen, von einer Inflationsbekämpfung zu einer Rezessionsbekämpfung überzugehen.
Dalio, Roubini, Burry & Co.: Viele Experten erwarten schwere Rezession
Mit seinen düsteren Prognosen über die Entwicklung der globalen Konjunktur befindet sich Hoffmann in bester Gesellschaft. So warnen auch viele andere Börsenexperten wie Nouriel Roubini oder die Big-Short-Ikone Michael Burry vor deutlich tieferen Notierungen und empfehlen Anlegern vom Aktienmarkt derzeit Abstand zu nehmen. Auch Ray Dalio hält Cash neuerdings nicht mehr für "Trash" (Müll) und empfiehlt Anlegern anders als in den letzten Jahren hohe Bargeldreserven.
Andere Marktexperten halten diese Erwartungen für übertrieben negativ und betonen den weiterhin starken Arbeitsmarkt und die Aussicht auf eine weniger restriktive Geldpolitik in den kommenden Monaten. Der Börsenmonat Oktober war etwa von enormen Kurssteigerungen gekennzeichnet, mit Ausnahme einiger Tech-Titel wie Amazon oder Meta Platforms tendierten die meisten Unternehmen nach oben. Besonders der US-Traditionsindex Dow Jones verzeichnete einen historisch starken Monat mit einem zweistelligen Gewinn. Manche Beobachter rechnen denn auch damit, dass die Börsen nach dem heftigen Abverkauf von 2022 den Boden inzwischen gesehen hätten und wieder nach oben tendieren werden - eine Ansicht, die Hoffmann für verfehlt hält.
Redaktion finanzen.ch
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