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Euro am Sonntag-Interview 05.11.2017 07:41:40

Swiss Life: Darum ist Vertrauen auch so wichtig

Swiss Life: Darum ist Vertrauen auch so wichtig

Als Spezialist für Lebens- und Renten­versicherungen hat das ­Unternehmen Swiss Life besonders mit den Niedrigzinsen zu kämpfen. Der neue Deutschland-Chef Jörg ­Arnold über neue Produkte und Digitalisierung.

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von Frank B. Werner, €uro am Sonntag

Als Fan des 1. FC Köln hat man es in München sowieso schon schwer. Beim Blick auf den aktuellen Tabellenstand "bleibt von der Leidenschaft aber vor allem Leiden", scherzt Jörg Arnold, seit Juli für das deutsche Geschäft von Swiss Life verantwortlich und deshalb an die Isar gezogen. Vom Büro kann er bei gutem Wetter die Alpen sehen und hat sich für 2018 einen Bergmarathon vorgenommen. Das passt gut. Auch das Lebensversicherungsgeschäft ist ein Marathon.

€uro am Sonntag: Sie sind jetzt rund 100 Tage neuer Vorstandsvorsitzender der Swiss Life in Deutschland. Was ist anders gegenüber Ihren früheren ­Arbeitgebern?
Jörg Arnold:
Die Swissness. Die Schweizer sind von der Volksseele her sehr dezentral. So führen sie auch ihre Unternehmen. Das lässt dem Einzelnen viel Raum, nicht nur umzusetzen, sondern auch zu gestalten. Außerdem sind sie unaufgeregt. Das ist sehr wohltuend. Daneben ist wohl der präsenteste Unterschied, das Swiss Life als spezialisierter Versicherer biometrischer Risiken eine extrem hohe Kompetenz in diesem Feld besitzt und über eine ausgeprägte Schnelligkeit in der Umsetzung verfügt.

Wo werden Sie Schwerpunkte setzen?
Im Wesentlichen werde ich das Programm meines Vorgängers Markus Leibundgut fortsetzen, mit dem ich mich in Zürich, wo er jetzt CEO von Swiss Life Schweiz ist, gut austauschen kann. Insbesondere wollen wir hier unsere Vertriebsstärke zur Geltung bringen, die Produktpalette weiter ausbauen und Prozesse optimieren.

Letzteres heißt wohl, Sie wollen Arbeitsplätze abbauen?
Bezogen auf die Zahl der Arbeitsplätze strebe ich das nicht an. Aber wir werden eine Verschiebung erleben. Einfache Sparprodukte sollten wir in einer automatisierten Dunkelverarbeitung abwickeln. Aber unsere komplexen bio­metrischen Produkte brauchen eine präzise Risikoprüfung, für die es vor allem der menschlichen Expertise bedarf. Das ist die gute Nachricht für alle Mit­arbeiter. Auch in Zukunft brauchen wir bei Swiss Life die individuelle menschliche Kompetenz.

Sie haben das Stichwort Vertriebsstärke genannt. Ist das eine theoretische oder eine praktische? Wie sind Sie mit der Integration der Swiss Life Select, dem früheren AWD, zufrieden?
Es handelt sich eindeutig um eine praktische Vertriebsstärke. Das sieht man schon an den Zahlen. Aber man sieht es auch in der Beratungsqualität. Da arbeiten heute überwiegend junge Leute, die sind technikaffin, haben eine Beratungssoftware, die State of the Art ist, und vor allem stimmt in der gesamten Vertriebsorganisation die Haltung. Ich kann Ihnen das deshalb so genau sagen, weil ich meine Zeit zwischen München und Hannover, dem Sitz unserer vier ­Finanzvertriebe, hälftig teile.

Die Finanzberatung ist heute stark ­reguliert und wird ab 1. Januar 2018 noch stärker reguliert sein. Ist der Gesetz­geber übers Ziel hinausgeschossen?
Das ist schwer zu beantworten. Unser Job ist, die Regulierung so zu nehmen, wie sie ist. Dem stellen wir uns. Im Übrigen bietet jede Regulierung, gleich wie stark sie belastet, auch die Möglichkeit, sich im Wettbewerb zu differenzieren. Als marktführender Player haben wir keine Lizenz- und Prüfungsprobleme. Für uns liegt da auch eine Chance.

Sie haben mehrfach die Wichtigkeit von Menschen aus Fleisch und Blut betont. Welche Rolle spielt denn die Digitalisierung im Vertrieb? Sind Insur-­Techs mittelfristig eine neue Konkurrenz? Werden Berater früher oder später ersetzt?
Ich bin da völlig entspannt. Wir treffen auf Kunden, für die finanzielle Themen ein schwieriges Feld sind. Die sind dann sehr froh, wenn sie persönlich beraten werden.

Aber das trifft nicht auf alle Kunden zu ...
… aber eben doch auf den überwiegenden Teil. Viele Studien kommen zu dem Ergebnis, dass nur etwa 20 Prozent des Markts so tief im Thema sind, dass sie sich selbst beraten können. Für die sind Fintechs eine gute Alternative. Aber die Mehrheit unserer Kunden spricht das nicht an. Im Übrigen können wir für ­unser Geschäft von den Fintechs allerdings viel lernen.

Was denn?
Fintechs funktionieren nur mit einfacher Darstellung komplexer Sachverhalte. Von den erfolgreichen können wir uns da eine Menge abgucken, denn auch in der persönlichen Beratung stellt sich der Erfolg erst ein, wenn es Ihnen gelingt, Komplexität zu reduzieren. Für uns gilt einstweilen die Erfolgskombination von effizienten digitalen Prozessen und guter persönlicher Beratung. Wir dürfen niemals vergessen, dass wir es bei der Absicherung biometrischer Risiken mit einem extrem erklärungsbedürftigen Produkt zu tun haben. Es braucht da in der Mehrzahl der Fälle jemanden, der aktiv bei der Entscheidungsfindung unterstützt. Darum ist Vertrauen auch so wichtig.

Ein paarmal haben Sie biometrische Risiken erwähnt. Unterschätzen die Leute das Risiko eines überlangen Lebens?
Ja, das wird definitiv unterschätzt. Aber es wird besser. Die Kombination von Niedrigzinsen und Langlebigkeit führt zu einem Umdenken in der Politik und bei den Kunden. Das spüren wir ganz deutlich.

Die Demografie ist dabei aber nur ein Aspekt. Viele Menschen werden in den letzten Jahren ihres Lebens gebrechlich oder auch dement. Da braucht es Pflege, und die kostet eine Menge Geld.
Ganz richtig. Das ist für einen Bio­metriespezialisten natürlich ein wichtiges Thema, auch wenn es nicht das Hauptprodukt ist. Im Verkauf ist das Produkt Pflege eher schwierig, weil die Kunden dazu tendieren, die Beschäftigung mit diesem unangenehmen Thema auf die lange Bank zu schieben. Aber nach der Einkommenssicherung kommt die Absicherung von Pflegeleistungen sicher an der zweiten Stelle.

Wie könnte man das ändern?
Obwohl ich kein Freund staatlicher Interventionen bin, wäre es sicher hilfreich, wenn der Gesetzgeber Anreize setzte, eine private Vorsorge aufzubauen. Und da meine ich die Pflege genauso wie die Einkommenssicherung.

Geht das Betriebsrentenstärkungs­gesetz, das im Sommer verabschiedet wurde, nicht in die richtige Richtung?
Sicher. Wir begrüßen es sehr, dass die Arbeitgeber jetzt weiter motiviert werden, die Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter zu unterstützen. Es ist aber auch wichtig zu wissen, dass dies allein nicht ausreichen wird. Die Versorgungslücke ist so groß, dass die Kunden in allen drei Schichten finanzielle Vorsorge für das Alter betreiben müssen.

Nun ist der Markt für die private Altersvorsorge stark in Bewegung, die ­klassische Lebensversicherung wird von vielen Häusern gar nicht mehr ­angeboten. Verstehen die Kunden die neuen Produkte - zum Teil auf Index- oder Fondsbasis - ohne Garantie?
Die Garantie hat früher im Kunden­gespräch eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Die Kunden haben sich immer viel stärker für die Ablaufleistung interessiert. Deshalb brauchen wir in der heutigen Nullzinszeit neue Produkte, mit denen ein Kapitalaufbau gelingen kann. Daher sind auch Berater so wichtig: Sie müssen im Gespräch den ­Risikoappetit des Kunden ermitteln, ­damit die Bausteine für seinen ­Kapitalaufbau richtig zusammengesetzt werden.

Erwarten Sie aufgrund der wegen der Nullzinsen angespannten Situation der Branche eine weitere Konsolidierung?
Seit meinem Berufseinstieg 1990 beobachte ich eine langsame Konsolidierung. Gleichwohl ist der Markt immer noch variantenreich. Glücklicherweise gehören wir von der Vertriebsleistung gesehen zu den Großen und werden weiter wachsen. Aber natürlich beeinflussen die Nullzinsen die Branche und auch uns. Da ist eine gewisse Größe von Vorteil, weil Sie sich nur so die nötigen professionellen Teams leisten können. Beispielhaft sei hier die Kompetenz in der langfristigen Kapitalanlage genannt. Assetklassen wie Immobilien und Infrastruktur liefern interessante Renditen, müssen aber auch kompetent beherrscht werden.

Vita:

Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Köln begann Jörg Arnold 1991 seine Karriere in der Versicherungswirtschaft in der Colonia Ver­sicherung (heute AXA-Gruppe). 2001 wurde er Vorstand ­Vertrieb der Deutschen Ärzte­versicherung und 2010 dort Vorstandsvorsitzender. 2014 wechselte er als Global Head of Savings, Retirement & ­Distribution in das weltweite ­Lebensversicherungsgeschäft der AXA nach Paris. Seit 1. Juli 2017 ist Arnold Chef der deutschen Aktivitäten und ­Mitglied der Konzernleitung der Swiss-Life-Gruppe.

Weitere Links:


Bildquelle: Wolfgang Kriegbaum/Finanzen Verlag,Keystone

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