Einigung im Tarifkonflikt |
23.12.2024 16:28:00
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VW-Aktie schwächer: VW und IG Metall einigen sich auf Sparplan - Werke bleiben - 35'000 Stellen fallen weg
Die Sparpläne von Volkswagen entsprechen VW -Chef Oliver Blume zufolge vom Umfang her einer Verringerung der Produktionskapazität um mehrere Werke.
Das Papier notierte nach Handelsbeginn 1,3 Prozent im Minus bei 87,68 Euro. Der Kurs hatte im April sein Jahreshoch bei 128,60 Euro erreicht und war mit der schlechten Lage in der Branche und dem Streit um den Kapazitätsabbau im Herbst bis auf unter 80 Euro gefallen. Der Marktwert des gesamten Unternehmens - zweitgrösster Autokonzern der Welt gemessen an verkauften Fahrzeugen - lag zuletzt bei unter 45 Milliarden Euro.
Die Einigung zwischen dem Konzern und der Gewerkschaft sei ein willkommener Schritt, hiess es von den Experten von JPMorgan. Die Ergebnisse blieben hinter den ursprünglichen Ambitionen des Managements und auch hinter den Erwartungen des Marktes zurück, schrieb jedoch Analyst Philippe Houchois von der US-Bank Jefferies. Er vermisse auch eine Dringlichkeit des Handelns bei VW angesichts einer sich rasch ändernden Automobilindustrie. Auf kurze Sicht positiv sei aber, dass drohende Arbeitskämpfe im Januar nun wohl vermieden würden.
So sah es hinsichtlich vermiedener Streiks auch UBS-Experte Patrick Hummel - für VW und für direkte Zulieferer. Allerdings dürfte das Ergebnis am Markt gedämpft aufgenommen werden, denn das Management habe Erwartungen einer aggressiveren Restrukturierung mit schnelleren Einsparungen geweckt, so Hummel. Es dürfte womöglich mindestens zwei Jahre dauern, bis sich die Sparmassnahmen auch tatsächlich in den Gewinnen bemerkbar machten.
In den Verhandlungen mit der IG Metall war zuvor von VW über Werksschliessungen verhandelt worden - diese bleiben dem Kompromiss nach zunächst aus. Allerdings kommen auf verschiedene Standorte gravierende Änderungen zu. Volkswagen will künftig mit gut 35.000 Beschäftigten weniger auskommen und über 700.000 Autos im Jahr weniger produzieren.
Die Wolfsburger wollen bis 2030 mehr als 35.000 Stellen sozialverträglich abbauen. VW spart durch die Arbeitskostenentlastung nach eigener Aussage 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Zudem sagte der Konzern eine neue Beschäftigungssicherung bis 2030 zu.
Blume schwört sein Unternehmen auf einen langfristigen Sparkurs ein - wünscht sich aber auch Unterstützung der Politik: "Deutschland braucht einen Aufbruch - weg vom Standstreifen zurück auf die Überholspur", sagte er der "FAZ". "Wichtig sind zum Beispiel: geringere Abgaben, Abbau bürokratischer Hürden, bezahlbare Energie, Sicherheit bei Förderzusagen."
VW-Markenchef kündigt Stresstest für alle Werke an
Nach der Tarifeinigung bei Volkswagen hat der Chef der Marke, Thomas Schäfer, einen Stresstest für jedes Werk sowie eine neue Modelloffensive angekündigt. Neue Investitionen an einzelnen Standorten werde es nur geben, wenn die vereinbarten Ziele erreicht würden.
"Wir haben mit der Einigung klare Ziele und Massnahmen für jeden Standort vereinbart, mit denen wir die Wettbewerbsfähigkeit erreichen wollen", sagte Schäfer der "Bild am Sonntag". Davon würden künftige Investitionsentscheidungen abhängen.
VW wolle zudem bis zum Jahr 2027 neun neue Modelle auf den Markt bringen, fügte Schäfer hinzu. "Wir wollen auch im Elektrozeitalter die Nummer eins in Europa sein - mit mindestens drei VWs im Top-Zehn-Ranking der EU".
Nach tagelangen harten Tarifverhandlungen hatten sich Volkswagen und die IG Metall am Freitag auf ein milliardenschweres Sparpaket geeinigt. Dabei wurde eine Jobgarantie bis 2030 vereinbart, ausserdem sind unmittelbare Werksschliessungen vom Tisch. Im Gegenzug verzichten die Beschäftigten auf sofortige Lohnerhöhungen. Bis 2030 sollen "sozialverträglich" ohne Kündigung mehr als 35'000 der aktuell 130'000 Arbeitsplätze wegfallen.
VW-Konzernchef Oliver Blume äusserte sich im Intranet für Mitarbeiter nach BamS-Informationen selbstkritisch zu dem drastischen Sparprogramm: "Es waren sicherlich die heftigsten Verhandlungen, die ich in meiner bisherigen beruflichen Laufbahn erlebt habe. Und mir ist bewusst, dass wir unseren Kolleginnen und Kollegen während der Dauer der Verhandlungen einiges zugemutet haben", sagte Blume. Die Unsicherheit, wie es mit den Standorten und für die Beschäftigten weitergehe sei gross gewesen. "Das hat emotional auch etwas mit mir gemacht".
Ex-VW-Chef lehnt Richter ab
Der frühere VW-Konzernchef Martin Winterkorn lehnt in seinem Strafverfahren zur Dieselaffäre den Richter als befangen ab. Das Vertrauen Winterkorns in die Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden Richters sei durch dessen Verhalten zerstört, heisst es in einem Schreiben der Verteidigung an das Landgericht Braunschweig, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Die Anwälte des 77-Jährigen stören sich daran, dass der Prozess für Februar 2025 neu angesetzt worden sei, bevor eine gerichtlich angeordnete Begutachtung des Gesundheitszustandes von Winterkorn stattgefunden habe. Das Landgericht hatte vergangenen Mittwoch am Nachmittag per Pressemitteilung informiert, dass ein Neustart des Verfahrens mit 89 Terminen für den 4. Februar geplant sei.
Verteidigung: Gutachter hält Reise zum Gericht für unzumutbar
Tatsächlich sei Winterkorn erst am Nachmittag des 18.12., also ebenfalls vergangenen Mittwoch, untersucht worden, moniert die Verteidigung. Es ist den Anwälten zufolge daher ausgeschlossen, dass dem Richter bei der Festlegung der Verhandlungstermine sowie Versendung der Pressemeldung bekannt gewesen sein kann, zu welchem Ergebnis der Arzt kommt. Eine Reaktion des Gerichts auf den Befangenheitsantrag war am Montag zunächst nicht zu erhalten.
Nach Angaben der Verteidigung kommt der Mediziner in seinem Gutachten vom Folgetag zu dem Ergebnis, dass Winterkorn zwar grundsätzlich reisefähig sei. Eine Anreise nach Braunschweig sei ihm aber nach gutachterlicher Einschätzung zurzeit nicht zumutbar. Zudem seien ganze Verhandlungstage wahrscheinlich nicht möglich. Das Verhalten des Richters belege, dass dieser sich zum Gesundheitszustand Winterkorns eine feste Meinung gebildet habe, bevor ihm das Ergebnis des ärztlichen Sachverständigen vorgelegen habe.
Prozessneustart wackelt wieder
Mit dem Befangenheitsantrag steht vor dem Prozess erneut ein dickes Fragezeichen. Dem 77-Jährigen werden in dem Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer gewerbsmässiger Betrug, Marktmanipulation und uneidliche Falschaussage vorgeworfen. Er hatte aber sämtliche Vorwürfe der Anklage zurückgewiesen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Vergangenen September - fast genau neun Jahre nach dem Auffliegen der Abgasmanipulationen beim Wolfsburger Autobauer - hatte der erste Prozess gegen Winterkorn begonnen. Nach wenigen Verhandlungstagen war das Verfahren wegen einer Verletzung des Anklagten verschoben worden. Nach damaligen Gerichtsangaben hatte sich Winterkorn so schwer verletzt, dass er in ein Krankenhaus musste.
Kreise: VW-Sparmassnahmen gelten auch für Manager
Volkswagen und die Arbeitnehmerseite haben einem Medienbericht zufolge festgelegt, wie viel das Management zum Sparplan beitragen soll. Demnach soll der Mai-Bonus so stark sinken, dass das Jahreseinkommen von rund 4.000 Managern 2025 und 2026 um zehn Prozent sinkt, wie die "Süddeutsche Zeitung" am Sonntag berichtete. Konzernkreise bestätigten dies der Deutschen Presse-Agentur.
In den folgenden drei Jahren soll das Jahreseinkommen der Manager um acht, sechs und fünf Prozent schrumpfen. 2030 ende der Verzicht, so wie bei den Arbeitnehmern, hiess es. Eine entsprechende Vereinbarung sei schon in den letzten Zügen, teilte die IG Metall mit. Management und Vorstand müssten Teil der Lösung sein.
"Unsere Erwartungshaltung ist, dass sich der Verzicht des Vorstands noch einmal von dem des Managements abhebt", teilte die Gewerkschaft weiter mit. Den Angaben zufolge könne der Vorstand lediglich seine Bereitschaft erklären, die Umsetzung einer gesenkten Vorstandsvergütung obliege letztlich dem Aufsichtsrat. VW -Chef Oliver Blume hatte am Freitag zur Einigung im Tarifstreit erklärt, Vorstand und Management würden sich "überproportional" beteiligen.
Die VW-Aktie notiert an der XETRA zeitweise 2,73 Prozent tiefer bei 86,38 Euro.
HANNOVER/BERLIN (awp international)
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