Mögliche Stagflation |
26.03.2022 22:18:00
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Weltwirtschaft gerät ins Wanken: Das sind die Aussichten für Bitcoin, Ethereum und Co.
Ukraine-Krieg, Lieferkettenprobleme, steigende Energiepreise, Inflationsängste, Lockdowns in China - die Anzeichen einer wirtschaftlichen Abkühlung verdichten sich. Doch was könnte ein möglicher Konjunktureinbruch für die Kryptowährungen bedeuten?
• Kryptomarkt korrelierte bislang stark mit Technologie-Aktien
• Entkoppelung der Kryptowährungen von Aktienmärkten möglich
Die Krisenmeldungen häufen sich auch im Wirtschaftsbereich seit einigen Wochen. Erst der seit mehr als einem Jahr anhaltende globale Inflationsdruck, der als Folge der äusserst expansiven Geldpolitik und der Lieferkettenproblemen die wirtschaftlichen Post-Corona-Erholungseffekte gefährdet. Dann die Verstärkung der inflationären Tendenzen durch den russischen Angriff auf die Ukraine und den damit verbundenen westlichen Sanktionen gegen den weltweit wichtigen Rohstofflieferanten Russland. Und als wäre das alles noch nicht genug, verkündete das Powerzentrum der Weltwirtschaft China jüngst auch noch einen harten Lockdown in der Megastadt Shenzhen. Kurzum: Die Weltwirtschaft wankt - verspricht das auch für den Krypto-Sektor nichts Gutes? Eine nähere Betrachtung lohnt sich.
Globale Stagflation nach Sanktionen immer wahrscheinlicher
Stagflation, das zeitliche Zusammentreffen von ökonomischer Stagnation und Inflation, ist ein Kofferwort, dass die meisten Personen wohl am liebsten für immer aus ihrem Vokabular gestrichen hätten. Aktuell ist die Lage aber ähnlich der in den 1970er-Jahren, als der Begriff Stagflation infolge der Ölkrise von 1973 erfunden worden ist. Ähnlich wie damals gibt es auch 2022 einen durch kriegerische Auseinandersetzungen ausgelösten Öl-Angebotsschock, der die Energiepreise womöglich für Jahre auf hohem Niveau halten wird. Die Hauptleidtragenden sind die Unternehmen, die die hohen Energiepreise an die Kunden weitergeben. Wenn das Lohnniveau dann mit dem Inflationsniveau nicht mithalten kann, sinkt wiederum die Massenkaufkraft - weniger Produkte werden gekauft, was wiederum bedeutet, dass weniger Arbeitsplätz geschaffen werden: Der Teufelskreis einer Stagflation.
Aktien brachten zu Zeiten einer Rezession, besonders wenn diese mit inflationären Tendenzen verbunden war, ihren Anlegern eine enttäuschende Rendite. So führte die Stagflation der 1970er-Jahre zu einem jahrelang anhaltenden Bärenmarkt. Riskante Anlageinstrumente werden in Krisenzeiten traditionell besonders stark von Anlegern gemieden - also auch Kryptowährungen?
Bitcoin tatsächlich das "digitale Gold"?
Krypto-Enthusiasten feiern Bitcoin schon seit Jahren als das "digitale Gold". Diesen Vergleich begründen sie vorrangig damit, dass Bitcoin so wie Gold eine Angebotsbegrenzung hat - anders als das von den Zentralbanken gedruckte Fiat-Geld. Tatsächlich ist die Anzahl der Bitcoins auf maximal 21 Millionen begrenzt. Kann nun also Bitcoin in den 2020er-Jahren Ähnliches vollbringen wie Gold in den 1970er-Jahren, das damals als äusserst effektiver Inflationsschutz fungierte? Krypto-Fans sind davon überzeugt. Sie betonen, dass das Vertrauen in die Fiat-Währungen infolge der rasant steigenden Inflationsraten weiter bröckeln werde. So meint auch Gunther Schnabl, Professor für Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig, gegenüber BTC-Echo: "Die seit langem anhaltend lockeren Geldpolitiken der Zentralbanken haben das Vertrauen in die Papierwährungen untergraben. Dieser Prozess hat sich in den letzten Monaten nochmals deutlich beschleunigt." Nicht zuletzt deshalb überbieten sich bekannte Unternehmer und Investoren mit ihren bullishen Prognosen. Jüngst verkündete Steve Wozniak, Mitbegründer von Apple, dass er Bitcoin-Kurse von mehr 100'000 US-Dollar für wahrscheinlich halte.
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Die Börsenexpertin Jessica Schwarzer ist dagegen sehr skeptisch. Sie entgegnet den Krypto-Romantikern in ihrer Kolumne "Sekt & Selters" auf t-online: "Der Bitcoin ist nicht das neue Gold. Er ist kein sicherer Hafen, keine Versicherung in stürmischen Zeiten." Vielmehr sei Bitcoin ein hochriskantes Anlageprodukt und stürze in Krisenzeiten sogar noch deutlich stärker als Aktien nach unten - also sei Bitcoin eher das genaue Gegenteil von Gold, so Schwarzer. Andererseits muss beachtet werden, dass sowohl Gold als auch Bitcoin keinen intrinsischen Wert haben, da sie - anders als Unternehmensbeteiligungen, auch bekannt als Aktien - nichts produzieren. Ihr Preis richtet sich folglich einzig und allein nach der Nachfrage der Investoren, was zu erheblichen Kurskapriolen führen kann.
Optimales Szenario für Krypto-Anleger: Entkoppelung vom Aktienmarkt
Die Tatsache, dass Bitcoin keinen intrinsischen Wert hat, kann jedoch auch Vorteile mit sich bringen. So steht die Möglichkeit im Raum, dass sich die Kryptowährungen mittel- bis langfristig vom Aktienmarkt entkoppeln könnten. Bislang folgte der Krypto-Sektor nämlich weitgehend dem Trend der wachstumsstarken Technologie-Aktien, symbolisiert durch den Leitindex der US-Technologiebörse NASDAQ 100. Besonders in den letzten Monaten war diese Korrelation sehr gut sichtbar: Auf eine Schwächephase im Mai und Juni 2021 folgte bei beiden Vermögensklassen ein steiler Anstieg bis Ende November, bevor seitdem Technologie-Aktien und Bitcoin erhebliche Einbussen verzeichnen mussten.
Die Hoffnung der Krypto-Fans ist, dass sich der Bitcoin und die anderen Kryptowährungen zukünftig vom Einfluss der Wachstumsaktien emanzipieren können. Dies könnte bedeuten, dass der Krypto-Sektor selbst in einem Stagflationsumfeld eine positive Rendite erzielt. Die bessere Performance des Bitcoins, so die Argumentation, würde dadurch herrühren, dass er relativ unabhängig von der Konjunktur weiter wachsen könne. Zudem würden immer mehr Anleger aus Inflationssorgen ihrem Depot Bitcoins beimischen. In diesem Fall könnten Bitcoin & Co. paradoxerweise sogar von einer Stagflation profitieren.
Redaktion finanzen.ch
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