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Clearing-Geschäfte in Gefahr 01.12.2018 22:23:00

Angst vor dem Brexit: So wollen Banken ein Lehman-Brother-Szenario vermeiden

Angst vor dem Brexit: So wollen Banken ein Lehman-Brother-Szenario vermeiden

Seit der Abstimmung 2016, bei der die Mehrheit der Bevölkerung des Vereinigten Königreichs für den Austritt aus der EU stimmte, belastet der bevorstehende Brexit die Weltpolitik und die Märkte. Vollkommen sicher ist noch nichts. Doch wie kann das Finanzsystem den Brexit möglichst unbeschadet überstehen?

Um das Finanzsystem zu schützen, gibt es schon seit das Ergebnis des Referendums bekannt wurde, Ambitionen von verschiedenen Banken beider Seiten, wie Bloomberg unter Berufung auf anonyme Insider berichtete. Das größte Fiasko für die Finanzmärkte würde eintreten, wenn die Politik keine Regelungen für die Clearing-Geschäfte schaffen würde - dafür machen nun die Banker Pläne.

Clearing-Geschäfte, Metall- und Ölhandel bedroht

Denn der größte Teil des Derivatehandels wird derzeit in London durchgeführt, bei der Clearing-Stelle LCH, einem Tochterunternehmen der Londoner Börse. Zwar gibt es auch in Frankfurt eine Stelle für die Abrechnung und Abwicklung von Wertpapiergeschäften, diese hat mit acht Prozent aber einen weitaus geringeren Marktanteil als die LCH. Sollte es keine anderweitigen Regularien für das weitere Verfahren bei Clearing-Geschäften geben, könnte das die Märkte in größte Turbulenzen treiben.

Clearing-Häuser stehen zwischen Käufer und Verkäufer, zwischen dem Handel und der Verwahrung. Wenn ein Partner im Handel ausfällt, entsteht ein hohes Risiko für die Abwicklungsstellen - weshalb sie als riskant für das gesamte Finanzsystem gelten und seit der Finanzkrise genaustens überwacht werden. Zentralbanken und Regulierungsbehörden warnten vor solch einem Szenario, bei dem Billionen von Euro in eine rechtliche Grauzone fallen würden, sobald Firmen aus der EU die Clearing-Dienste von LCH in London nicht mehr nutzen dürften, das könnte ähnlich wirken wie die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers, die als Auslöser der Finanzkrise 2008 gilt. Neben der LCH ist für die europäische Wirtschaft auch die London Metal Exchange und die ICE Futures Europa von immenser Bedeutung, wichtige Handelsplätze für Aluminium, Kupfer und Brent.

Plan muss bis Ende dieses Jahres stehen

Für die Investmentbanker gilt es nun, einen Plan auszuarbeiten, mit Deadline zum Ende dieses Jahres. Denn auch wenn die Politik mehr Zeit hat - das Austrittsdatum von Großbritannien ist auf den 29. März nächsten Jahres angesetzt - müssen leitende Bankangestellte in London drei Monate im Voraus bekanntmachen, welche Derivatkontrakte geschlossen oder versetzt werden.

Die EU arbeitet eng mit den Londoner Clearing-Stellen zusammen. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde ist sich einigermaßen sicher, dass die richtigen Schritte für die Sicherung in der Finanzwelt eingeleitet werden, wie Bloomberg den Exekutivdirektor Adam Farkas in einem Interview vor wenigen Tagen zitiert. Trotz der Bemühungen haben sich Banken auf beiden Seiten bereits für das schlimmstmöglichste Szenario vorbereitet - von dem sie hoffen, dass es nicht eintreten wird.

Druck auf die EU und das Vereinigte Königreich

Bereits 2017 schlug die Bank of England Alarm und warnte im Parlament und in den Medien die großen Industrien vor den Folgen, die ein ungeregelter, "harter" Brexit für die Finanzwelt mitbringen würde, wie Bloomberg schreibt. Daraufhin habe das Vereinigte Königreich signalisiert, Gesetze zu erlassen, um den Handel von Firmen aus der EU in London weiter zu ermöglichen, auch wenn es zum schlimmsten Fall eines harten Brexits kommen sollte. Seit April dieses Jahres arbeitet nun die Bank of England mit der EZB zusammen, um eine Risikoeinschätzung durchzuführen. Doch auch diese Zusammenarbeit lief nicht von Anfang an reibungslos ab: Die EU sah das Ziel der Arbeit der beiden Banken in Handlungsempfehlungen für Politiker, das Vereinigte Königreich wollte, dass die Tätigkeit eine konkrete Lösung brächte.

Und auch andere Finanzunternehmen machen Druck auf die EU und Großbritannien. So schlossen sich laut Bloomberg-Angaben die International Swaps and Derivatives Association (ISDA), die Europäische Finanzmarktvereinigung und die Futures Industry Association zusammen, um die Politik zu Veränderungen zu drängen. Sie machten Journalisten darauf aufmerksam, dass der Finanz-Brexit bis zum Ende dieses Jahres beschlossene Sache sein müsse und holten Unterstützung von deutschen, dänischen, niederländischen, irischen, italienischen und schwedischen Industriegruppen ein, die vor den wirtschaftlichen Folgeschäden für ihre Unternehmen warnten.

Auf einen harten Brexit gefasst

Am 13. November, ein Tag bevor der Brexit-Vertrag der Öffentlichkeit präsentiert wurde, gab es dann vonseiten der EU auch endlich klare Worte zur Regelung der Clearing-Geschäfte nach dem Brexit - falls es zu einem harten Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU kommen sollte. Auf Basis der Ergebnisse, die die Bank of England und die EZB in ihrer Risikobewertung zusammengetragen hatten, habe die EU versprochen, britischen Clearing-Stellen und ETF-Firmen weiterhin den Handel mit Unternehmen aus EU-Mitgliedsländern zu erlauben. Werkzeuge, die Probleme infolge eines harten Brexits lösen können, könnten "rasch eingesetzt" werden, versicherte die Kommission.

Die Finanzwelt präsentierte sich positiv gegenüber dem ausgearbeiteten Brexit-Deal, zeigte sich aber trotzdem noch vorsichtig und bereit dazu, auch einen harten Brexit handeln zu können, falls das Papier nicht durch das britische Parlament gehen sollte. Noch sei die ganze Lage unklar, auch die Zusicherungen vonseiten der EU genügen den wenigsten in der Industrie. So forderte beispielsweise der Vize-Präsident der Bank of England, Jon Cunliffe, dass der Markt bis Mitte Dezember darüber aufgeklärt werden solle, welche gesetzlichen und regulatorischen Maßnahmen die EU genau ergreifen wird, um die Geschäfte in der Finanzwelt aufrechtzuerhalten. Wie der Brexit ablaufen wird, steht momentan noch in den Sternen. Eines ist jedoch sicher: Wenn die stabile Wirtschaft der EU beibehalten werden soll, braucht es einen guten Derivatehandel-Brexit-Deal.

Theresa Rauffmann / Redaktion finanzen.ch

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