Finanzmarktrisiken |
16.01.2023 17:09:00
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Bantleon-Chefökonom sieht für 2023 "ausgewachsene Rezession"
Der Chefökonom von Bantleon sieht ein hohes Risiko in einer noch stärker als befürchtet ausfallenden Rezession. Ein Zinsschock und eine globale Rezession könnten unkalkulierbare Finanzmarktrisiken bedeuten.
• Langfristige höhere Inflation und Zinsen schaffen schwieriges Umfeld für Aktienmarkt
• Aktives Aktienmanagement und Stock Picking als einzige Strategie für Anleger
Auch nach dem positiven Jahresstart der Börsen äussert sich der bekannte Züricher Asset-Manager Daniel Hartmann in einem Interview mit dem Finanzportal cash.ch wenig optimistisch für die Aktienmärkte 2023. Hartmann gehört mit seinen an Bloomberg gemeldeten Konjunktur- und Inflationsprognosen zu den weltweit besten Prognostikern für die Eurozone.
Eine unter den Erwartungen gebliebene Inflationsrate für Dezember 2022 sowie die Aussicht einer langsamer als befürchtet ausfallenden Leitzinserhöhung durch die EZB und das Szenario einer "weichen Landung" beflügle derzeit die Aktienmärkte. Der Aktienmarkexperte sieht jedoch 2023 "ein böses Erwachen" auf die Märkte zukommen - und das sowohl in Europa als auch in den USA.
Globale Rezession und Zinsschock wirken nach
In der von Daniel Hartmann prognostizierten "ausgewachsenen Rezession" in Europa und den USA stünden mindestens drei Quartale mit schrumpfender Wirtschaftsleistung bevor: Insgesamt werde das Bruttoinlandsprodukt in den USA und der Eurozone um mehr als ein Prozent zurückgehen.
Die Rezession sei derzeit noch nicht offen erkennbar, da sie nicht von einem einzigen Schock ausgelöst worden sei, wie dies in der jüngsten Vergangenheit, beispielsweise in der Immobilienkrise oder Corona-Pandemie, der Fall war. "Es ist vielmehr eine typische Rezession wie in den 80er und 90er Jahren, wo die Notenbanken einen Abschwung auslösten, der sich allmählich selbst verstärkte und in einer klassischen Abwärtsspirale mündete", hält Hartmann im Interview fest und zeichnet damit gleichzeitig eine langfristigere Entwicklung vor.
Sichtbar werde die restriktive Geldpolitik der Notenbanken bereits auf dem US-Immobilienmarkt, wo die Hypothekarzinsen um über vier Prozent gestiegen sind. Rückläufige Investitionen in der Baubranche sowie sinkende Immobilienpreise seien bereits in den USA, aber auch in Europa, etwa in Deutschland, erkennbar. Dies werde sich auch auf andere Branchen ausweiten und das Investitionsvolumen, etwa in Maschinen oder Software, weiter erheblich schrumpfen lassen.
Zu den durch den Zinsanstieg bedingten drastischen Investitionsrückgängen stehen die Unternehmen zudem vor den Herausforderungen steigender Rohstoffpreise und Lohnkosten. Die Gewinnmargen der Unternehmen stünden damit dramatisch unter Druck und würden spätestens im Frühjahr um über 20 Prozent nach unten korrigiert werden. Dies schliesse eine "sanfte Ladung", wie sie zuletzt immer wieder von US-Aktienmarktexperten prognostiziert wurde, aus.
"Alles in allem spricht aus unserer Sicht viel dafür, dass die EZB das zweite Jahr in Folge deutlich danebenliegt - dieses Mal überschätzt sie den Inflationsdruck. Der Kurs der Notenbank dürfte somit am Ende weniger restriktiv ausfallen, als es die Notenbank derzeit postuliert. Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass an den Geldterminmärkten Leitzinserhöhungen ausgepreist werden und die Renditen von Bundesanleihen 2023 über alle Laufzeiten hinweg wieder namhaft unter 2,00% fallen", schriebt Daniel Hartmann in einem Kommentar zu den EZB-Prognosen und bezeichnet 2023 als "Jahr für Staatsanleihen".
Rolle der Inflation: Langfristige Marktrisiken und Aktienmanagement
Mit der zu späten Reaktion der Europäischen Zentralbank auf die steigende Inflation sowie der anschliessenden geldpolitischen Kehrtwende und der rekordverdächtigen Erhöhung der Leitzinsen, wären die Notenbanker über das Ziel hinausgeschossen. "Die Geldpolitik ist ausser Tritt geraten", schreibt der Bantleon-Chefvolkswirt in einer Analyse und prognostiziert für 2023 erneut eine deutliche Kurskorrektur.
Langfristig sei die Lage durch eine möglicherweise unglückliche Kombination von steigenden Zinsen, einer hohen Inflationsrate und einer globalen Rezession nur schwer abschätzbar. Es könnten hier für den Immobilienmarkt, aber auch für andere Branchen unkalkulierbare Risiken auftreten. Zu den oben angesprochenen Finanzmarktrisiken gesellen sich natürlich mit dem Ukraine-Krieg und dem schwelenden Taiwan-Konflikt enorme geopolitische Gefahren: Den USA, Russland und China als geopolitischen Akteuren wird auch zukünftig eine hohe Bedeutung zukommen, einen "Retter der Weltwirtschaft" sieht der Marktexperte jedoch in keinem der Akteure.
Um zukünftige hohe Renditen zu erzielen, genüge es nicht mehr breitaufgestellte ETFs im Portfolio zu halten, Anleger müssten sich vielmehr auf aktives Stock Picking verlegen, um gute Geschäftsmodelle zu erkennen und empfiehlt Infrastruktur-Aktien: "Neben den Big Playern bei den erneuerbaren Energien wie Iberdrola, Enel und EDP sind hier auch einige kleinere Perlen wie Grenergy oder Voltalia zu nennen", so Hartmann.
Redaktion finanzen.ch
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Iberdrola SA | 13.10 | 0.59% | |
Voltalia SA Provient regroupement | 6.66 | -4.17% |
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