Experten-Kolumne |
25.02.2022 16:15:07
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Ungenutztes Potenzial: Auch als Anleiheinhaber alle Möglichkeiten der aktiven Einflussnahme ausschöpfen
Lange Zeit galt ein Engagement in Aktien als einzige Möglichkeit, Einfluss als Anleger auszuüben. Doch auch Anleiheinhaber können einiges bewirken. Lässt sich diese Macht nutzen, um positive Veränderungen herbeizuführen?
Daraufhin formulierte Barclays ein ambitioniertes und am Markt einzigartiges Ziel: Man will bis 2050 als erste Bank weltweit Klimaneutralität im gesamten Finanzierungsgeschäft erreichen. Wir betrachten dies als Beweis für den kulturellen Wandel in der Bank, die erkannt hat, dass sie entscheidend zur Klimawende beitragen kann.
Dies zeigt, dass auch Anleiheinhaber ein erhebliches Wirkungspotenzial entfalten können und sich der Spielraum für aktive Einflussnahme nicht - wie lange geglaubt - auf Aktienanleger beschränkt.
Die Grösse ist entscheidend
Von den 12,1 Bio. USD, die sich Unternehmen 2021 an den Kapitalmärkten beschafften, entfielen 5,5 Bio. USD auf Anleiheemissionen, was fast dem Vierfachen der Finanzierung über den Aktienmarkt entspricht (1,4 Bio. USD). Dieser Trend dürfte anhalten, da Unternehmen das (noch bestehende) Niedrigzinsumfeld nutzen, um ihre Kapitalstrukturen zu optimieren.
"Interessanterweise erhält man über die Anleiheschiene Zugang zu vielen Unternehmen, die über den Aktienmarkt unerreichbar sind, und kann mit diesen in Dialog treten", meint Marcel Borelli, Executive Director und Head of Fixed Income Fund Selection bei JP Morgan International. "Für ein Engagement steht ein grösseres Spektrum von Unternehmen zur Auswahl. Im Zusammenhang mit der Klimawende sind viele dieser Unternehmen ‚braun‘ und haben somit besonders hohen Bedarf an Kapital zur Finanzierung ihrer Klimastrategie."
Entgegen der landläufigen Meinung unterscheidet sich der Zeithorizont von Anleiheinhabern kaum von dem langfristig orientierter Aktienanleger. Unternehmen geben nicht nur Anleihen mit immer längeren Laufzeiten heraus, sondern schreiben auch kurzlaufende Papiere in der Regel fort.
Bewertung, Dialog und Einflussnahme
"Durch den UK Stewardship Code wurde in den letzten zwei Jahren wesentlich expliziter auf die Verantwortlichkeiten verwiesen, die Anleiheinhabern in Bezug auf die Überwachung von und Einflussnahme auf Emittenten zukommen", erklärt Mirza Baig, Global Head of ESG Investments bei Aviva Investors.
Bei den Vermögensverwaltern selbst vollzieht sich ebenfalls ein Wandel. Die Investmentteams, d. h. die Kreditanalysten und Portfoliomanager, überlassen Fragen der aktiven Einflussnahme nicht mehr nur speziellen ESG-Teams, sondern treten mehr und mehr selbst in Dialog mit den Unternehmen - mit Erfolg.
Die Auswirkungen auf die Credit Spreads sind bereits spürbar. Laut einer neuen MSCI-Studie, in deren Rahmen Anleiheemissionen zwischen 2014 und 2020 (bereinigt um das Kreditrisiko) untersucht wurden, schnitten Unternehmen, die in Bezug auf ihre ESG-Bewertung im oberen Drittel rangieren, in diesem Zeitraum um 5,5 % besser ab als Unternehmen im unteren Drittel. Immer mehr Anleger erkennen dies und berücksichtigen ESG-Kriterien in ihren Bewertungen. Dies führt dazu, dass Unternehmen, deren ESG-Bewertung und -Performance sich verbessert haben, in den Genuss niedrigerer Finanzierungskosten kommen dürften.
"Das Instrument der Kapitalerhöhung nutzen Unternehmen vielleicht alle 20 Jahre. Einige Unternehmen bedienen sich hingegen halbjährlich der Finanzierungsmöglichkeiten am Anleihemarkt", betont James Purcell, Group Head of ESG, Sustainable and Impact Investing bei Quintet Private Bank. "Dieses Dialogfenster ist eine ungenutzte Chance, um aktiv Einfluss zu nehmen." Da einige Anleiheemissionen hoffnungslos überzeichnet sind, sehen Unternehmen unter Umständen keine Veranlassung, auf einzelne Anleger einzugehen. Aus diesem Grund ist es entscheidend, gemeinsam mit anderen Anlegern aktiv zu werden.
Weil derart viele Unternehmen in privater Hand sind - rund 20 % der Emittenten im Investment Grade-Segment und 60 % im High Yield-Segment -, bietet sich Inhabern von Unternehmensanleihen die Chance, weit ausserhalb des Einflussbereichs von Aktionären auf Unternehmen einzuwirken.
Hinzu kommt, dass nicht börsennotierte Unternehmen meist noch in den Anfängen ihrer ESG-Entwicklung stecken und somit weitreichendere Einflussmöglichkeiten bestehen als bei börsennotierten Bluechip-Unternehmen mit festen ESG-Richtlinien und transparenter ESG-Berichterstattung. "Ähnlich verhält es sich beim Vergleich zwischen High Yield- und Investment Grade-Papieren, ist der Anteil privater Unternehmen im High Yield-Segment doch wesentlich grösser", ergänzt Emily McDonald, Credit Investment Director bei Aviva Investors.
Emittenten von Staatsanleihen: Der nächste Schritt
Neben börsennotierten und privaten Unternehmen wenden sich Rentenanleger derzeit vermehrt staatlichen Emittenten zu. Hier sieht Baig den nächsten Schritt für eine aktive Einflussnahme.
"In gewisser Weise ist diese Anlageklasse heilig. Grund für die bisherige Zurückhaltung der Anleger gegenüber diesem Segment ist, dass Fremdfinanzierung hier in der Regel mit Einflussnahme assoziiert wird", meint Mirza Baig. "In Bezug auf staatliche Emittenten sind die Einflussmöglichkeiten wesentlich beschränkter, sind Emissionen am Markt für Staatsanleihen doch häufig stark überzeichnet und ist die Abhängigkeit von den Kapitalmärkten doch weniger ausgeprägt. Anders sieht es aus, wenn man die Möglichkeit zum aktiven Dialog nutzt.
"Nach unserer Erfahrung wollen staatliche Emittenten - insbesondere in Schwellenländern und bei themenbezogenen Emissionen - internationale Anleger besser verstehen und sind erpicht darauf, ihre Kennzahlen offenzulegen und sich so möglicherweise niedrigere Finanzierungskosten zu sichern. Folglich gehen sie auf die Anleger zu und sind bereit, mit uns in einen Dialog zu treten, der fast Beratungscharakter hat", so Baig weiter.
Hierdurch entsteht eine ganz neue Dynamik: Statt sich in endlosen Diskussionen um Forderungen zu verlieren, geben Anleiheinhaber ihre Erfahrungen zu Best Practices weiter und beraten Finanzministerien und Zentralbanken zu einschlägigen Initiativen anderer Akteure, die diese bei der Entwicklung ihrer eigenen Strategie berücksichtigen können.
"2019 unternahmen wir mit Ländern wie Brasilien und Indonesien erste Versuche eines aktiven Dialogs, der schon nach kürzester Zeit in Gesprächen mit hochrangigen Regierungsmitgliedern wie dem Vizepräsidenten des brasilianischen Parlaments mündete. Für uns ein Beweis, dass das Konzept funktioniert", erzählt Baig.
Im Rahmen eines breiter angelegten Engagement-Programms mit 21 staatlichen Emittenten knüpften wir 2021 daran an und konzentrierten uns dabei im Vorfeld der Klimakonferenz COP26 auf Klimathemen. Wir waren positiv überrascht, wie offen die Emittenten für unser Feedback waren und wie hoch die Bereitschaft zum Dialog war. Es kam sogar vor, dass einige unserer Empfehlungen umgesetzt wurden und diese Schritte explizit als Ergebnis unserer Gespräche bezeichnet wurden. Dass aktive Einflussnahme wirklich funktioniert, wollen wir 2022 anhand eines breiteren Themenspektrums weiter unter Beweis stellen."
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