Enorme Verluste |
18.11.2022 23:00:00
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Kritik an SNB: Oberstes Ziel sollte geldpolitische Stabilität sein
Die Bilanz der Schweizerischen Nationalbank für das Jahr 2022 wird voraussichtlich einen Milliardenverlust ausweisen. Grund für Kritik an der SNB ist die vornehmlich politische Frage, ob sich die SNB Marktrisiken aussetzen sollte, wenn ihre Priorität doch in der Geldpolitik liegen sollte.
• Investitionen bilden Gesamtmarkt ab
• Eigenkapitalpolster als Grundlage für stabile Politik der SNB
Der Anlass zur Kritik in einem bei NZZ The Market erschienenen Artikel, die Schweizerische Nationalbank habe ihre Bilanzrisiken vernachlässigt, ist offensichtlich: Der Verlust der SNB in den ersten neun Monaten des Jahres beträgt laut Ad hoc-Mitteilung der Notenbank 142,4 Milliarden Franken. Zum Vergleich: Die Nettostaatsschulden der Schweiz betrugen nach Daten der Eidgenössischen Finanzverwaltung 2021 etwas über 130 Milliarden Schweizer Franken. Zur Erklärung heisst es im Zwischenbericht, das Ergebnis der SNB sei massgeblich von der Entwicklung der Gold-, Devisen- und Kapitalmärkte abhängig, extreme Schwankungen eingeschlossen.
Die Verluste auf den Fremdwährungspositionen betrugen allein 141 Milliarden Schweizer Franken, Frankenpositionen machten minus 24,1 Millionen Franken aus und Verluste auf den Goldbestand 1,1 Milliarden Franken. Hier wird deutlich, dass die Gründe für die enormen Verluste der Schweizerischen Nationalbank nicht mit den geldpolitischen Massnahmen erklärt werden können.
Grundsätzlich vertritt der Autor die Meinung, Aufgabe der SNB sei "nicht die Gewinnmaximierung, sondern geldpolitische Stabilität". Der zukünftige Handlungsspielraum sei verspielt durch die offensichtliche Vernachlässigung der Bilanzrisiken. Zwar habe die SNB in den letzten Jahren die geldpolitische Stabilität erhalten sowie die Inflation bis September 2022 begrenzen können, jedoch wäre geldpolitisch nur ein Bruchteil der Verluste in der Bilanz notwendig gewesen.
Wie ist der enorme Verlust zu erklären?
Die Gründe für die enorme Bilanzsumme und somit auch die ausgewiesenen Verluste sind die Interventionen am Devisenmarkt der vergangenen elf Jahre: Die erste Intervention nahm die SNB 2011 vor als sie den Mindestkurs für den Schweizer Franken gegenüber dem Euro auf 1,20 festlegte, da erster sich im Zuge der europäischen Schuldenkrise enorm verteuerte. Erreicht wurde ein Schutz der Exporteure sowie eine Einschränkung der Deflation durch verteuerte Importe. Hierdurch ist die Bilanzsumme der SNB laut Statista von 2011 auf 2014 (von 346,08 auf 561,20 Milliarden CHF) enorm angestiegen. 2015 wurde der Mindestkurs aufgehoben und Negativzinsen eingeführt, um die Preisstabilität im Konsumentenpreisindex zu erhalten. Daraufhin kam es zu enormen Preissteigerungen am Immobilienmarkt, worauf wiederum mit weiteren Interventionen am Devisenmarkt reagiert wurde. Dies trieb die Bilanzsumme in ungeahnte Höhen, 2021 lag sie bei 1‘056,78 Milliarden Schweizer Franken, was 144 Prozent des BIP entspricht. Weltrekord: Gemessen am Ausstoss der Wirtschaft handelt es sich hierbei um die weltweit höchste Bilanzsumme einer Notenbank.
Der teuer eingekaufte Devisenbestand wurde neben Anleihen global und indexnah in Aktien und Devisen investiert. Erfolg in der Breite der Anlagen sowie Sonderausschüttungen stellten Investoren und Politik zufrieden, sodass wenig Kritik an der immer grösseren Geldmenge (kumulatives Wachstum von 41 Prozent innerhalb von 10 Jahren) geübt wurde. Konsequenz daraus ist, dass die SNB mit der Ausweitung der Geldmenge ein ähnliches Inflationspotential geschaffen haben könnte wie im Euroraum und die Reaktion darauf, eine geldpolitische Straffung, sprich steigende Zinsen, lange auf sich warten liess.
Welche Konsequenzen ergeben sich für die Schweizerische Nationalbank?
Negatives Eigenkapital bei der SNB dürfte weder den Franken gefährden noch die SNB daran hindern, ihren Verpflichtungen nachzukommen, betont der ehemalige Asset Manager der SNB und derzeitige CIO der St. Galler Kantonalbank Thomas Stucki gegenüber der NZZ. "Die Nationalbank kann ihre Verpflichtungen in Franken auch bei negativem Eigenkapital jederzeit erfüllen, indem sie neue Franken herstellt", so Stucki. Die Finanzmärkte dürften darauf kaum reagieren.
Als problematisch bewerten die Ökonomen Aymo Brunetti und Reto Föllmi in einer Analyse das negative Eigenkapital im Hinblick auf die Reputation der Notenbank, sollte dies über einen längeren Zeitraum andauern. "Ein negatives Eigenkapital [könnte] implizieren, dass die Notenbankgeldmenge nur ungenügend durch Aktiven gedeckt wäre, was der Glaubwürdigkeit der Währung sicher abträglich wäre", schreiben die Wirtschaftswissenschaftler. Des Weiteren könnten keine Gewinne an Kantone und Bund ausgezahlt werden.
Die beiden Ökonomen von der Universität Bern sehen zudem durch die enorme Bilanzsumme die politische Unabhängigkeit der SNB gefährdet, da die in den letzten Jahren so immens angewachsenen Devisenreserven Begehrlichkeiten der Politik weckten. "Am einfachsten wäre natürlich eine Rückführung der Devisenbestände auf ein wesentlich tieferes Niveau; das ist aber aus geldpolitischen Gründen in naher Zukunft kaum realistisch. Es gilt also auf absehbare Zukunft Wege zu finden, wie man das weiterhin massiv hohe SNB-Vermögen möglichst weitgehend vor übermässiger politischer Einflussnahme schützen kann", konkludieren sie.
Redaktion finanzen.net
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