E-Autobranche im Blick |
23.03.2019 23:42:00
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Aus Anleger-Sicht: Welche Chancen bieten NIO, Geely, BYD oder Tesla
Tesla ist der bekannteste Elektroautobauer der Welt. Mit einer massiven Produktoffensive drängt der US-Konzern mit aller Macht in den Massenmarkt. Doch die Konkurrenz schläft nicht - und auch für Anleger gibt es Alternativen zum Musk-Konzern.
Tesla: Lohnt sich ein Einstieg wirklich (noch)?
Tesla ist zugleich der bekannteste aber auch umstrittenste Konzern im Elektroautogeschäft. Seit rund neun Jahren wird die Tesla-Aktie an der Wall Street gehandelt und hat seitdem eine beeindruckende Performance aufs Parkett gelegt. 17 US-Dollar kosteten die Anteile für Anleger, die zum Börsenstart im Sommer 2010 Aktien ergattern konnten. Investoren der ersten Stunde können sich freuen: Aktuell werden Tesla-Aktien bei 275 US-Dollar gehandelt, was einem Kursplus von mehr als 1'500 Prozent entspricht. Allerdings hat sich diese Entwicklung in den vergangenen Jahren stark abgeschwächt: In den letzten drei Jahren ging es nur noch rund 18 Prozent nach oben, wer vor rund einem Jahr bei Tesla eingestiegen ist, hat nun sogar ein zweistelliges Minus in seinem Depot.
Mit einer Marktkapitalisierung von rund 48 Milliarden Dollar hat das Unternehmen zwischenzeitlich Traditionskonzerne wie General Motors und BMW ein- und teilweise überholt. Insbesondere die Bewertung des Unternehmens lässt viele Experten skeptisch zurück: Tesla hat für 2019 ein geschätztes KGV von 54,22. Zum Vergleich: Der Traditionsautobauer Volkswagen kommt auf 5,2 - BMW und Daimler haben ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7,11 und 6,66. Tesla ist verglichen mit den Etablierten der Branche also um ein Vielfaches höher bewertet. Günstig sind Tesla-Aktien vor diesem Hintergrund also nicht. Und viele Shortseller veranlasst diese Tatsache immer wieder, von der "Tesla-Blase" zu sprechen - die Tesla-Aktie war lange Zeit das beliebteste Ziel von Leerverkäufern und gehört auch heute noch zu den meist geshorteten Aktien der Wall Street.
Doch aus operativer Sicht hat Tesla gute Aussichten. Mit seiner "S.3.X.Y"-Produktpalette und der Aussicht auf einen Tesla Pickup-Truck sowie den Tesla Semi füllt sich die Produktpalette zusehends. Der Model 3 wird mehr und mehr zum Massenmarktmodell, vergessen ist der Stotter-Start beim Produktionsanlauf und auch erste Auslieferungsprobleme hat Firmenchef Elon Musk zwischenzeitlich in den Griff bekommen. Für 2019 rechnen Experten mit Umsatzerlösen von 27,6 Milliarden US-Dollar und einem Vorsteuergewinn von 546,36 Millionen Dollar. Schon in zwei Jahren sollen die Erlöse dann auf 42,3 Milliarden Dollar steigen, vor Steuern rechnen Experten bis 2021 dann mit 2,7 Milliarden Dollar Gewinn.
Die Wachstumsaussichten für Tesla sind also weiterhin gut - insbesondere dann, wenn der Model 3 wie erhofft am Massenmarkt einschlägt und auch die Folgeprodukte am Markt gut angenommen werden. Allerdings sollte man im Auge behalten, dass die Zeiten, in denen Tesla als einer der wenigen Elektroautobauer am Markt agierte, der Vergangenheit angehören. Der Markt hat zwischenzeitlich viele Akteure, so dass auch die potenzielle Käuferschaft sich auf zahlreiche Modelle verteilt.
Eine der größten Chancen und zeitgleich eines der größten Risiken ist jedoch Firmenchef Elon Musk. Der charismatische Milliardär hat großen Anteil daran, eine treue Fangemeinde hinter Tesla scharen zu können, seine unberechenbare Art hat ihm allerdings mehr als einmal Ärger mit der US-Börsenaufsicht SEC eingebracht. Anleger müssen das CEO-Risiko bei Tesla besonders genau unter die Lupe nehmen. Und auch der Handelsstreit könnte Tesla belasten: Bereits in den vergangenen Monaten hat das Unternehmen einen Absatzeinbruch auf dem wichtigen chinesischen Markt hinnehmen müssen. Der Konzern ist von den Strafzöllen besonders betroffen.
Anleger, die sich auf Analystenbewertungen verlassen, finden bei Tesla ein durchwachsenes Rating vor: Die Kauf- und Verkaufempfehlungen halten sich in etwa die Waage, in Summe dominieren "Hold" und "Buy"-Ratings gegenüber "Sell"-Ratings.
BYD - Das Buffett-Investment als günstigere Alternative?
Einer der größten Tesla-Konkurrenten auf dem wichtigen chinesischen Markt ist BYD. Schon 2002 ging das 1995 gegründete Unternehmen in Hongkong an die Börse und hat damit eine deutlich längere Börsenhistorie als Tesla. 2011 folgte der IPO an der Börse in China, seitdem haben BYD-Aktien einen langen Weg zurückgelegt. Die Kursentwicklung fiel allerdings moderater aus als bei dem großen US-Konkurrenten.
Ein Großaktionär des Unternehmens dürfte sich aber mit der Kursentwicklung der Aktie dennoch zufrieden zeigen: Starinvestor Warren Buffett. Das "Orakel von Omaha" hatte sich 2008 bei BYD eingekauft - lange vor dem Hype um Tesla & Co. Über seine Berkshire Hathaway-Tochter MidAmerican Energy hatte Buffett 230 Millionen US-Dollar investiert - für 225 Millionen Aktien. 8 Hongkong-Dollar hat Buffett zu diesem Zeitpunkt für eine Aktie gezahlt - etwas mehr als einen US-Dollar. Heute kostet ein Anteilsschein rund 50 Hongkong-Dollar. Das Investment von Warren Buffett hat sich im Wert also vervielfacht.
BYD hat geschätzten Daten zufolge 2019 ein KGV von 28,8 und gilt damit ebenfalls nicht als günstig bewertet. Der Kaufpreis für eine Aktie fällt verglichen mit dem von Tesla-Titeln aber deutlich niedriger aus.
Eine der größten Vorteile von BYD: Das Unternehmen ist seit geraumer Zeit profitabel und fährt verlässlich Gewinne ein. Auch wenn die Drittquartalszahlen von einer Gewinnwarnung begleitet waren - was dem intensiven Wettbewerb im Elektroautobereich und dem Wegfall von Regierungssubventionen zu schulden war - schreibt BYD schwarze Zahlen. Darüber hinaus profitieren die Chinesen zusätzlich davon, dass sie sich nicht vom Elektroautogeschäft für Privatpersonen abhängig gemacht haben. Denn BYD ist in einem Sektor aktiv, in dem nur es nur wenige direkte Konkurrenten gibt: Bei Elektrobussen. Dort sind die Chinesen Marktführer, BYD-Busse kommen nicht nur in China, sondern unter anderem in den Niederlanden, London, Los Angeles, Peking und São Paulo zum Einsatz.
Die Anfänge von BYD liegen im Bereich Batterietechnik und gerade hier dürften die größten Wachstumsaussichten zu finden sein. Das erste Batteriewerk der Chinesen ging lange vor Teslas Gigafactory in Betrieb und auch heute noch ist das Batteriegeschäft vielversprechend, während die Margen im Autosegment zunehmend sinken. Das hat auch BYD selbst erkannt und will seine Batteriesparte ausgliedern und als eigenständiges Geschäft an die Börse bringen. Bis 2022 will man den Börsengang realisiert haben, wie die Nachrichtenagentur "Bloomberg" erfahren haben will. Unklar ist in diesem Zusammenhang, ob nur das Autobatteriegeschäft eigenständig werden soll oder ob das neue Unternehmen auch den Lithium-Ionen-Akkus für Elektrogeräte umfassen soll.
Mit seiner Drei-Säulenstruktur aus Elektro-PKWs, Elektrobussen und dem Batteriegeschäft ist BYD breiter aufgestellt als der US-Rivale. Zudem liegen die regionalen (und damit logistischen) Vorteile bei den Chinesen, die den größten Elektroautomarkt quasi vor der Haustür haben. Der Handelskrieg zwischen den USA und China, der dem US-Konkurrenten deutlich zu schaffen macht, ist aktuell eher positiv für BYD zu werten. Denn Chinesen greifen angesichts der aktuellen Handelsdifferenzen verstärkt auf heimische Hersteller zurück - auch Apple bekam den zunehmenden Patriotismus in Sachen Konsum auf dem chinesischen Markt bereits deutlich zu spüren.
Die BYD-Aktie ist stark volatil und daher verstärkt für risikofreudige Anleger ein Kauf. Aber auch Tesla-Anleger hatten in den vergangenen Monaten deutliche Schwankungen auszusitzen, so dass dies kein grundsätzliches Argument gegen einen Kauf der BYD-Aktie sein sollte.
Geely - Elektroautos nur Nebensache
Geely ist hierzulande insbesondere durch seine Beteiligung am deutschen Autobauer Daimler bekannt. Mit einem Anteil von 9,7 Prozent ist Geely der größte Anteilseigner der Stuttgarter und noch immer ist unklar, welchen strategischen Nutzen die Chinesen mit ihrem Einstieg verfolgen. Geely ist daneben Eigentümer des schwedischen Autobauers Volvo, am gleichnamigen Lkw-Hersteller ist das Unternehmen mit 8,2 Prozent der Aktien und 15,6 Prozent der Stimmrechte beteiligt.
Als Autohersteller hat sich Geely vorrangig auf dem chinesischen Heimatmarkt einen Namen gemacht, mit einer Marktkapitalisierung von umgerechnet rund 16 Milliarden US-Dollar gehört Geely zu den Leichtgewichten unter den Autobauern - die Geely-Aktie kostet in Hongkong nur rund ein Drittel so viel, wie Anleger für BYD-Anteile hinlegen müssen. Mit einem geschätzten KGV von 8,39 für 2019 sind Geely-Aktien nicht nur optisch günstig. Dies dürfte aber auch einer schwachen Kursentwicklung zu schulden sein - in den vergangenen zwölf Monaten hat die Geely-Aktie fast die Hälfte ihres Wertes verloren.
Im Elektroautogeschäft ist Geely ein vergleichsweise kleines Licht. Und auch im Traditionsgeschäft lief es zuletzt alles andere als gut. Im Februar brachen die Verkaufszahlen um 24 Prozent auf 83'552 Einheiten ein - 6'196 Fahrzeuge, die verkauft wurden, hatten dabei elektrischen Antrieb. Somit ist Geely alles andere als ein Elektroautobauer, auch wenn das Management immer wieder betont, in diesem Bereich deutlich nachlegen zu wollen. Die schwachen Februarzahlen sind nicht der einzige Ausrutscher von Geely: Schon die Dezemberzahlen waren enttäuschend ausgefallen - und das, während Konkurrent BYD im gleichen Zeitraum mehr Fahrzeuge verkauft hat. Das könnte auf ein strukturelles Problem bei Geely hindeuten, was Anleger im Hinterkopf behalten sollten.
Wer auf den Elektroautosektor setzen will, wird mit einem Investment bei Geely angesichts des überschaubaren Anteils an verkauften Stromern wohl nur teilweise glücklich. Allerdings hat Geely den "BYD-Vorteil": Der große chinesische Markt liegt direkt vor der Haustür und angesichts des sino-amerikanischen Handelsstreites könnte auch der Daimler-Großaktionär Nutznießer der neuen Konzentration chinesischer Konsumenten auf heimische Produkte sein. Der chinesische Automarkt hat weiter enormes Potenzial, noch immer herrscht in der Region starker Bedarf. Zudem ist die Aktie vergleichsweise billig zu haben.
NIO - Von den Höchstständen zurückgekommen
NIO ist der Neuling unter den Elektroautoaktien. Aktuell ist die Modellpalette der Chinesen noch sehr überschaubar. Mit dem NIO ES6, der vorerst nur in China erhältlich sein wird und dem NIO ES8, einem 7-sitzigen SUV, der Ende 2018 in Produktion gegangen ist, will das Unternehmen direkt mit Tesla konkurrieren. Die schmale Produktpalette hat Anleger nicht davon abgehalten, beim Börsengang des Unternehmens im September 2018 kräftig zuzuschlagen: Während das IPO selbst unter den Erwartungen blieb, legte die Aktie in den ersten Handelstagen deutlich zu, aktuell sind NIO-Titel aber sogar wieder unter den Erstkurs gerutscht.
Die Marktkapitalisierung von NIO liegt bei 4,3 Milliarden Dollar und ist damit überschaubar. Mit einem geschätzten negativen KGV von -3,68 für 2019 und sogar -6,98 für 2020 zeigt sich, dass Anleger mittelfristig wohl nicht mit schwarzen Zahlen rechnen sollten. Erst 2021, so schätzen Experten, werden die Chinesen wohl einen operativen Gewinn in der Bilanz stehen haben.
2018 lief das Geschäft zunächst verhalten: Bei Umsätzen von 720 Millionen US-Dollar fiel unter dem Strich ein Verlust von 1,4 Milliarden Dollar an. Zudem sind die Verkaufszahlen in den ersten beiden Geschäftsmonaten 2019 eingebrochen, was insbesondere dem saisonal schlechten Autosektor und dem chinesischen Neujahr zu schulden gewesen sei, hieß es von Konzernseite. Und auch die Aussichten waren alles andere als gut: Im ersten Quartal rechnet das Unternehmen mit einem Rückgang der Verkaufszahlen zwischen 52,4 und 56,1 Prozent.
Vorteile hat NIO dank engagierter Großaktionäre: Sowohl die chinesischen Unternehmensriesen Tencent und Baidu haben sich bei NIO eingekauft, als auch die britische Baillie Gifford. Durch seinen Sitz in China könnte NIO mittel- bis langfristig vom größten Elektroautomarkt der Welt profitieren - insbesondere angesichts der anhaltenden Handelsdifferenzen zwischen den USA und China, die importierte Fahrzeuge - etwa von Tesla - in China deutlich teurer machen.
Anleger sollten sich klar machen, dass NIO wohl noch einige Zeit lang rote Zahlen schreiben wird. Die Aktie ist zwischenzeitlich deutlich günstiger als noch vor einigen Monaten, ein echtes Schnäppchen ist sie angesichts der unsicheren Geschäftsaussichten aber noch immer nicht.
Redaktion finanzen.ch
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