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Harald Preissler, Bantleon: |
25.03.2016 08:00:00
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«Dann sehen wir eine Flucht in Cash und Gold»
Die Anschläge von Brüssel erschüttern Europa. Haben solche Ereignisse die Kraft, auch die Börsen ins Wanken zu bringen? Ein Chefökonom gibt Antworten und erklärt, was an den Märkten schief läuft.
Interview von Mathias Ohanian
Die Terroranschläge von Brüssel erschüttern die Menschen in Europa. Haben solche Ereignisse grundsätzlich auch das Potenzial, Wirtschaft und Börsen ins Wanken zu bringen?
Harald Preissler*: So dramatisch die Ereignisse von Brüssel sind, sie haben doch nur begrenzte Effekte auf Unternehmen und Finanzmärkte. Und so zynisch es klingen mag: Das Beispiel Israel zeigt, dass selbst bei einer ständigen Bedrohung Leben im Alltag möglich ist. Im Zusammenspiel mit demokratischen Wahlen können Terroranschläge aber grosse Wirkung auf der politischen Landkarte entfalten. Das haben wir 2004 nach den Anschlägen von Madrid gesehen.
Woran denken Sie?
Im kommenden Jahr finden in Frankreich Präsidentschaftswahlen statt. Ein Terroranschlag kurz davor würde dem Front National klar in die Hände spielen. Eine rechtspopulistische Präsidentschaft unter Marine Le Pen wäre denkbar. An den Finanzmärkten könnten dann die Alarmglocken läuten. Aber man braucht kein Schwarzmaler zu sein, um zu sehen: Es gibt heute viele Risiken, die für grosse Turbulenzen an den Finanzmärkten sorgen können.
Zuletzt liessen die Sorgen um China die Börsen einbrechen.
Im Juni stimmen die Briten über den Verbleib in der EU ab. Was ist denn das grösste Risiko für die Weltwirtschaft?
Sowohl die Volksabstimmung in Grossbritannien als auch Chinas Strukturwandel stellen eine Gefahr für die schwankungsstarken Finanzmärkte dar. Eine Gewichtung vorzunehmen, fällt da schwer. Die Chronologie bestimmt die Agenda: Negative Zahlen aus China könnten schon morgen die globale Konjunkturstimmung deutlich eintrüben - auch wenn ich die Lage dort aktuell nicht so schlecht einschätze. Im Rahmen der Brexit-Abstimmung drohen neue Probleme. Langfristig kommt noch die demografische Entwicklung hinzu.
Zunächst zu China: Sie erwarten, dass der Strukturwandel dort ohne grössere Verwerfungen gelingt?
Sicherlich geht das nicht ohne Verwerfungen. Nur fokussieren viele Chinaskeptiker sich zu sehr auf das alte China. Dabei sehen wir schon heute, dass Dienstleistungen über die Hälfte der Wirtschaftsleistung ausmachen, der Anteil der Industrie hingegen ist gesunken. Das Hauptproblem ist die öffentliche Wahrnehmung: Das Verhältnis der Nachrichten aus Industrie zu Dienstleistungen liegt bei zehn zu eins. Der Aufstieg des Servicesektors wird bei uns viel weniger wahrgenommen als die sinkende Bedeutung der Industrie. Alles in allem steht China damit gar nicht schlecht da.
Wie kann die Schweiz vom Aufstieg des chinesischen Dienstleistungssektors profitieren?
Die Schweiz hat eine hochentwickelte Produktpalette, die Pharmafirmen können am Konsumaufstieg Chinas teilhaben, ebenso die Hersteller von Uhren und Schmuck. Was Sorge bereitet, ist die immer stärkere Spezialisierung der Schweizer Industrie. Seit der Finanzkrise 2008 hat die einst so stolze Maschinen- und Elektrobranche stark an Bedeutung verloren. Das hat aber weniger mit dem starken Franken als mehr mit der ultraexpansiven Geldpolitik zu tun, die Unternehmenschefs einen Anreiz gibt, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Weltweit sehen wir, dass das billige Geld dorthin wandert, wo die höchste Rendite erwartet wird - und das waren in den vergangenen Jahren nach allgemeiner Auffassung die aufstrebenden Volkswirtschaften wie China oder Brasilien.
Was ist dann passiert?
In den Schwellenländern wurden mehr und mehr Kapazitäten aufgebaut - und heute sieht man die Auswirkungen dieser Überkapazitäten: China und andere Länder müssen ihre Produkte zu günstigeren Preisen verkaufen, in Europa importieren wir so Deflation.
Und die Notenbanken reagieren darauf mit einer zusätzlichen Expansion der Geldpolitik?
So geschehen in der Euro-Zone zuletzt oder in Japan im Januar. Das Problem ist: Die Geldpolitik wird immer expansiver, stösst aber immer mehr an ihre Grenzen. Eindrücklich war das am 3. Dezember bereits zu beobachten, als die Europäische Zentralbank den Einlagensatz einmal mehr senkte und der Dax in einer ersten Reaktion mehrere hundert Punkte verlor. Das bislang geltende Zusammenspiel zwischen den Notenbanken und den Finanzmärkten funktioniert nicht mehr.
Die Glaubwürdigkeit der Notenbanken steht auf dem Spiel?
Bislang galt noch immer der Leitspruch, dass man sich mit den Notenbanken nicht messen sollte, weil sie ohnehin am längeren Hebel sitzen. Dieses Credo könnte schon bald nicht mehr gelten: Wenn die Investoren an den Finanzmärkten nicht mehr an die Wirkungskraft der Notenbankpolitik glauben, könnte Panik ausbrechen. Dann werden wir eine Flucht in Cash und Gold und sehen. Dieses Szenario ist durchaus real.
* Harald Preissler ist Chefökonom des Zuger Anleiheinvestors Bantleon, einem Spezialisten für sicherheitsorientierte Kapitalanlagen.
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