Expertenschätzungen |
24.09.2021 22:24:00
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Evergrande-Krise erinnert an Lehman-Pleite - So schätzen Analysten das Evergrande-Chaos ein
Der chinesische Immobilienriese Evergrande ist ins Wanken geraten. Viele Anleger fühlen sich an die Lehman-Pleite erinnert, die als Auslöser für eine globale Finanzkrise gilt. Analysten geben diesbezüglich aber Entwarnung.
• Erinnerungen an Lehman-Pleite werden wach
• Analysten rechnen nicht mit zweiter Finanzkrise
Ein Immobilienriese mit 300 Milliarden US-Dollar Schulden, der die Zinsen für seine Kredite nicht bedienen kann: Der chinesische Evergrande-Konzern ist ins Wanken geraten und hat Schockwellen durch das Bankensystem des Landes gejagt. Auch die Börsen reagierten empfindlich auf die Nachrichten zum zweitgrössten Immobilienentwickler in China - bei vielen Anlegern wurden Erinnerungen an den Zusammenbruch von Lehman Brothers wach.
Vor rund 13 Jahren hatte die Pleite des US-Bankhauses für Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten gesorgt. Das Institut wurde Opfer der Subprime-Markt-Krise, eine Folge eines unnatürlich aufgeblähten Immobilienmarktes in den Vereinigten Staaten. Doch geht von Evergrande ein ähnliches Risiko für die Weltwirtschaft und die Börsen aus?
Barclays sieht andere Marktbedingungen
Analysten der britischen Barclays-Bank glauben im Zusammenhang mit einem möglichen Zusammenbruch von Evergrande nicht an Folgen ähnlichen Ausmasses wie beim Lehman-Crash im Jahr 2008.
"Ja, Evergrande ist ein grosses Immobilienunternehmen. Und ja, es könnte (wahrscheinlich) Spillover-Effekte auf Chinas Immobiliensektor mit wirtschaftlichen Folgen geben. Und ja, es kommt zu einer Zeit, in der Chinas Wachstum bereits begonnen hat, zu enttäuschen", hiess es in einer Notiz an Investoren, die "MarketWatch" vorliegt. Dennoch sei ein Lehman-Moment "eine Krise ganz anderen Ausmasses", so die Experten weiter.
Die Marktbedingungen seien andere als vor 13 Jahren. Damit sich selbst ein grosser Zahlungsausfall von Evergrande zu einer Lehman-ähnlichen Krise entwickeln könnte, müssten einige andere Voraussetzungen gegeben sein, darunter eine starke Zunahme der Kreditnot ausserhalb des Immobiliensektors, eine Ablehnung der Banken auf dem Interbankenfinanzierungsmarkt sowie massive politische Fehler als Reaktion auf die Krise von Seiten der chinesischen Behörden.
Citi-Analysten formulieren sogar Einstiegschancen
Ähnlich beurteilen auch Analysten der Citi die aktuellen Ereignisse um Evergrande. In einer Notiz betonten sie, dass die politischen Entscheidungsträger wahrscheinlich daran festhalten werden, systemische Risiken vermeiden zu wollen, um Zeit zur Lösung des Schuldenrisikos zu gewinnen und vor diesem Hintergrund voraussichtlich eine geringfügige Lockerung für das gesamte Kreditumfeld vorantreiben werden.
Einen Lehman-Moment für China sieht Analystin Judy Zhang daher nicht, auch wenn sie vor Risiken für das gesamte chinesische Finanzsystem warnt. Eine Analyse der Bank zur Kreditvergabe der Banken an risikoreiche Bauunternehmen zeige unterdessen, dass das Kreditrisiko für die China Minsheng Banking Corp., die Ping An Bank Co. und die China Everbright Bank Co. am höchsten sei. Die Bank of Nanjing Co., Chongqing Rural Commercial Bank Co. und Postal Savings Bank of China Co. seien unterdessen weniger anfällig und "wir würden jede Kursdelle als eine gute Gelegenheit zum Kauf von Qualitätswerten sehen", wird die Expertin unter anderem von Bloomberg zitiert.
Société Générale: Bislang nur wenig Übertragungseffekte
Wei Yao und Michelle Lam, Analysten der Société Générale, sehen unterdessen aktuell nur wenig Anzeichen für eine Ausbreitung der Krise ausserhalb des Immobiliensektors. Spillovers auf den Anleihenmarkt beschränkten sich bisher weitgehend auf einige wenige Hochzinsentwickler, so die Analysten in einer Mitteilung, über die "MarketWatch" berichtet. Die wichtigsten Kreditgeber von Evergrande seien am Aktienmarkt unter Druck geraten, aber ihre Kreditkosten hätten sich kaum verändert, stellten die Ökonomen fest. Auf den chinesischen Geldmärkten herrsche eine relative Ruhe, obwohl es einige erste Anzeichen dafür gebe, dass Bargeld gehortet werde.
Was den Anleihenmarkt betreffe, so scheine es, als ob die Anleger "zwischen sicheren und riskanten Kreditnehmern unterscheiden und vorerst ein begrenztes Übergreifen auf den breiteren Finanzmarkt erwarten", betonen die Experten.
Jefferies empfiehlt China-Bankaktie zum Kauf
Unterdessen hält Chen Shujin Chen, Analyst bei Jefferies Financial Group, an seiner Einschätzung zu China-Aktien fest. Seiner Ansicht nach gebe es nur "eine geringe Chance auf ein systemisches Risiko", das von Evergrande ausgehe. In einer Mitteilung an Investoren empfiehlt er Anlegern Bloomberg zufolge, Bank-Aktien bei Kursrückgängen zu kaufen. Zeitgleich gab er für die Postal Savings Bank eine Kaufempfehlung ab und fügte sie zu seinen "Top-Picks" hinzu. Auch die China Construction Bank Corp. sowie die Bank of Ningbo Co. sind weiterhin Mitglieder in dem erlesenen Kreis der Top-Empfehlungen des Analystenhauses.
JPMorgan sieht Krise als Chance
Etwas verhaltener optimistisch zeigen sich daneben Experten der US-Bank JPMorgan. Ohne Zweifel mache seine überschuldete Bilanz Evergrande anfällig, werden die Analysten bei Reuters zitiert. Dass sich die Lage so schnell verschlechtert habe, sei aber durch politische Entscheidungen beschleunigt worden. Dabei nennen die Experten explizit die "drei roten Linien", die von Seiten der chinesischen Regierung eingeführt wurden und die eine Reaktion auf den massiven Anstieg der Immobilienpreise in China waren. Um eine weitere Verschuldung der Branche zu stoppen, wurden Regeln eingeführt, die das Verhältnis von Verbindlichkeiten zu Vermögenswerten, den Nettoverschuldungsgrad und das Verhältnis von liquiden Mitteln zu kurzfristigen Verbindlichkeiten der Unternehmen regeln.
Dies habe zu einem Liquiditätsengpass im gesamten Sektor geführt, auch mehrere kleinere Immobilienentwickler, die einen kurzfristigen Refinanzierungsbedarf hätten, würden bereits Anzeichen von Not zeigen. "Basierend auf unseren Schätzungen könnte es in diesem Jahr elf Ausfälle mit einer Gesamthöhe von 30 Milliarden US-Dollar (oder 23 Prozent Ausfallrate für den Sektor) geben", betonen die Experten.
Für Marko Kolanovic, den Leiter des quantitativen Research der US-Bank JPMorgan, ist die Krise aber aus Anlegersicht auch eine Chance. Trotz der Evergrande-Krise zeigte er sich optimistisch in Bezug auf Aktien und sieht die teils deutlichen Kursrückgänge als Kaufgelegenheit. Dem S&P 500 traut er bis zum Jahresende ungeachtet der jüngsten Ereignisse einen Sprung bis auf 4'700 Punkte zu.
Redaktion finanzen.ch
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