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29.09.2022 17:48:00
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Ordentlicher Börsenstart: Porsche-Aktie schliesst nach Erstkurs von 84 Euro unverändert
Krieg, Inflation, Rezessionsangst: Schlechter könnten die Vorzeichen für einen Börsengang kaum sein.
Im Geflecht der Zahlen rund um einen der grössten Börsengänge der deutschen Wirtschaftsgeschichte dürfte die 40 bald wieder in Vergessenheit geraten. Exakt so viele Sekunden lang läuteten Porsche-Chef Oliver Blume und sein Finanzchef Lutz Meschke am Donnerstag inbrünstig die symbolische Glocke zum Handelsauftakt an der Frankfurter Börse. Die Erleichterung stand den Managern ins Gesicht geschrieben: Trotz widriger wirtschaftlicher und politischer Umstände sowie Börsenturbulenzen hatten die Stuttgarter den Gang aufs Parkett ordentlich über die Bühne gebracht - auch wenn der grosse Höhenflug ausblieb.
Mit 84,00 Euro lag der erste Börsenpreis der Porsche-Vorzugsaktien am Donnerstag knapp zwei Prozent über dem Ausgabepreis von 82,50 Euro. Im Tageshoch ging die Aktie für 86,76 Euro um. Zu Handelsschluss notierte sie schliesslich unverändert zum Ausgabekurs bei 82,50 Euro.
Porsche war zwischenzeitlich fast so viel wert wie die Konzernmutter Volkswagen: Während die Stuttgarter bis zum Mittag über 77 Milliarden Euro Marktkapitalisierung erreichten, rauschte der Börsenwert von VW in den Keller und kam auf rund 80 Milliarden Euro. Porsche wurde damit auch deutlich höher bewertet als die Konkurrenten BMW oder Mercedes-Benz. Und mit einem Erlös von 9,4 Milliarden Euro für VW legten die Stuttgarter den grössten deutschen Börsengang seit der Deutschen Telekom 1996 hin.
Erfolgsnachrichten wie diese sind an der Börse derzeit rar gesät. Der DAX stürzte am Vortag des Börsengangs zeitweise auf den niedrigsten Stand seit November 2020, seit Jahresbeginn verlor der deutsche Leitindex rund 25 Prozent. Entsprechend gross war am Donnerstag der Empfang für den vielversprechenden Börsenneuling in Frankfurt, der auch als heisser DAX-Anwärter gilt: Der Handelssaal mit Porsche-Plakaten dekoriert, vor dem Gebäude ein Sammelsurium an Sportwagen. Imagefilmchen und Produkt-PR gab es per Börsenlivestream. Dass dieser kurz vor dem Handelsstart den Geist aufgab - geschenkt.
Doch nicht nur beim Verfolgen des Börsengangs aus der Ferne, sondern auch bei der Zuteilung der Aktien gingen etliche private Anleger leer aus. Über 94 Prozent der knapp 114 Millionen Vorzugsaktien gingen laut Porsche an Grossanleger. Wegen der Überzeichnung des Angebots hätten nicht alle privaten Aktionäre berücksichtigt werden können, hiess es. Vier Ankerinvestoren, darunter VW-Grossaktionär Katar, hatten sich knapp 40 Prozent der am Markt platzierten Anteile an der Porsche AG schon vorab gesichert.
Aus Sicht der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz war die geringe Beteiligung von Kleinanlegern erwartbar gewesen. "Ich denke auch, dass es angesichts dieser schwachen Börsenzeiten ganz gut ist, dass man nicht zu viel direkt auf einmal in den freien Markt gegeben hat. Dann wäre der Kurs insgesamt sicherlich gefährdeter", sagte Präsident Ulrich Hocker der dpa.
Einen grossen Teil des Emissionserlöses will VW in Investitionen für E-Modelle, eigene Auto-Software, Vernetzungstechnik, autonomes Fahren und diverse Dienstleistungs-Plattformen stecken. Vor allem der Aufbau des Netzes an Batteriezellfabriken gestalte sich kapitalintensiver als zunächst gedacht, ist aus Kreisen der Kontrolleure zu hören. Zumal erste Entscheidungen dazu noch in einer Zeit angeschoben wurden, in der Entwicklungen wie ein Krieg in Osteuropa unvorstellbar gewesen seien.
Ein zweites Kalkül spielt aber eine ebenso zentrale Rolle: Wenn man die hochprofitable Tochter aus Stuttgart sichtbarer ins Schaufenster der internationalen Finanzwelt stellt, könnte das positiv auf den eigenen - nach Selbsteinschätzung chronisch zu niedrigen - Börsenwert abfärben. So richtig wollte sich dieser Effekt am Donnerstag noch nicht einstellen: Die VW-Vorzugsaktien sackten nach dem Handelsstart um fünf Prozent und die Stammaktien der Wolfsburger um 5,6 Prozent ab. Offenbar hatten sich Anleger einen fulminanteren Start erhofft.
Die Stuttgarter ihrerseits erhoffen sich von dem Gang aufs Parkett ein Stück mehr operative Freiheit. Ein Beherrschungsvertrag und ein Gewinn- und Verlustabführungsvertrag mit Volkswagen soll Ende des Jahres auslaufen, dann werden die Beziehungen neu geregelt.
Für Porsche steht nun auch der Spagat zwischen der Rolle als Teil des zweitgrössten Autokonzerns der Welt und dem Anspruch als Luxus-Marke mit hohen Renditen an - immerhin haben die Schwaben langfristig Margen von 20 Prozent als Ziel ausgegeben. Zufall oder nicht, dass am Donnerstag am Stammsitz Stuttgart die Eröffnung neuer Verkaufsräume für 30 Millionen Euro anstand, die die Luxus-Klientel noch stärker in den Fokus nehmen sollen.
Dazu kommt ein dritter, spezieller Faktor: Die Motivlage des Porsche/Piëch-Clans gilt als deutlich komplexer, als sich reinen Cash-Zielen hinzugeben. Manch einer vermutet eine Mischung aus Machtinteressen und familiärem Erbkodex als eigentliche Triebkräfte hinter dem Börsengang. Denn nach der Übernahme Porsches durch VW im Jahr 2008, so die Hypothese, bekommen die Eigentümerfamilien durch den Börsengang die Chance, wieder mehr direkten Zugriff auf den Sportwagenbauer mit ihrem Namen durchzusetzen. Denn die Tranche von 25 Prozent plus einer Stammaktie sichert ihnen eine Sperrminorität und damit entscheidenden Einfluss bei strategischen Fragen. Den Kaufpreis von 10,1 Milliarden Euro will die VW-Dachgesellschaft Porsche SE (PSE) grösstenteils mit Schulden finanzieren.
Hier setzen Kritiker an, die den Börsengang teils als abgekartetes Spiel sehen, das zulasten der übrigen Aktionäre geht. So sei der Preis, zu dem die PSE die Stammpapiere erwerbe, zu gering. Auch die personellen Verflechtungen sind beträchtlich und führen zu Bedenken. Porsche-Chef Oliver Blume ist zugleich VW-Konzernchef, der langjährige PSE-Spitzenmann Manfred Döss ist VW-Justizvorstand, VW-Chefaufseher Hans Dieter Pötsch leitet die PSE. Der jüngst angekündigte Rückzug von Familien-Intimus Pötsch und Hans Michel Piëch aus dem Aufsichtsratspräsidium der Porsche AG soll eine gewisse Entflechtung signalisieren.
Doch die Skepsis etlicher Analysten und Aktionärsvertreter gegenüber dem Führungsgebaren und der Machtarchitektur im grössten deutschen Konzern war schon vor dem Porsche-Börsengang gross. Nach dem Übernahmekampf 2008 etwa warfen Investoren Porsche vor, sie viel zu spät über die wahre Kaufabsicht ins Bild gesetzt zu haben. Das sei mitverantwortlich für die starken Kursschwankungen - und damit für ihre Milliardenverluste durch geplatzte Kurswetten - gewesen. An diesem Freitag verkündet das Oberlandesgericht Celle voraussichtlich seine Entscheidung in einem langwierigen Kapitalanlage-Musterverfahren.
Aktionärsvertreter zufrieden mit Porsche-Börsengang für Kleinanleger
Obwohl Kleinanleger beim Porsche-Börsengang kaum zum Zuge kamen, haben sich Aktionärsvertreter zufrieden mit dem Börsendebüt gezeigt. Dass zunächst nur 7,7 Prozent der Vorzugsaktien an private Anleger gingen, sei erwartbar gewesen, sagte der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Ulrich Hocker, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. "Ich denke auch, dass es angesichts dieser schwachen Börsenzeiten ganz gut ist, dass man nicht zu viel direkt auf einmal in den freien Markt gegeben hat. Dann wäre der Kurs insgesamt sicherlich gefährdeter." Insgesamt sei der Börsengang inmitten des schwierigen Marktumfelds als erfolgreich zu bewerten.
Die Porsche-Papiere waren am Donnerstag mit 84,00 Euro und damit knapp zwei Prozent über dem Ausgabepreis von 82,50 Euro an der Frankfurter Börse gestartet. Im Laufe der ersten Stunden sank der Kurs zunächst knapp über den Ausgabepreis ab und stieg zwischenzeitlich auf 86,00 Euro. Schon vorab hatten sich vier grosse Ankerinvestoren, darunter der VW -Grossaktionär Katar, fast 40 Prozent der 114 Millionen ausgegebenen Vorzugsaktien gesichert. Wegen der Überzeichnung des Angebots hätten nicht alle privaten Aktionäre berücksichtigt werden können, hiess es.
Hocker wiederholte die Kritik der Aktionärsvertreter an der Doppelfunktion von Oliver Blume als Porsche-Chef und seit September auch VW-Chef. Dass der Stuttgarter Sportwagenbauer aber jetzt - wie er immer wieder betont - mehr Eigenständigkeit hat, sehe er aber auch. "Die Story von Porsche kann jetzt auch separater, transparenter an der Börse klar gemacht werden", sagte Hocker. Jetzt kämen beispielsweise separate Abschlüsse der Porsche AG.
FRANKFURT (Dow Jones / awp international)
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