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Nach Regionalbanken-Kollaps 23.04.2023 16:27:00

Top-Ökonom gibt Entwarnung: Keine "tiefe Kreditkrise" - darum dürften US-Aktien dennoch fallen

Top-Ökonom gibt Entwarnung: Keine

Steven Ricchiuto, US-Chefökonom der japanischen Investmentbank Mizuho Securities, gibt Entwarnung: Der Zusammenbruch einiger US-Regionalbanken werde nicht zu einer Kreditklemme führen. Allerdings sei dies keineswegs gleichbedeutend mit einem weiteren Kursanstieg der US-Aktien.

• Ricchiuto: Bankensektor insgesamt "gesund" - keine Kreditkrise voraus
• "Flache Rezession" statt "tiefer Kreditklemme"
• Ricchiuto sieht Abwärtspotenzial für US-Aktien

Einige Experten sahen in dem Zusammenbruch der US-Regionalbanken Silicon Valley Bank (SVB) und Signature Bank sowie in der Übernahme der Schweizer Grossbank Credit Suisse durch die UBS bereits die Vorzeichen einer globalen Finanzkrise à la 2008. Steven Ricchiuto ist hingegen deutlich weniger pessimistisch und erwartet keine Kreditklemme, sondern rechnet trotz einer "flachen Rezession" mit einer weiteren Funktionsfähigkeit des internationalen Finanzsektors. Das bedeute aber nicht, dass Aktionäre die jüngsten Banken-Zusammenbrüche auf die leichte Schulter nehmen sollten.

"Fed hat bislang alle Nachkriegsrezessionen ausgelöst"

Allgemein betonte Ricchiuto die grosse Bedeutung der amerikanischen Notenbank Federal Reserve System (Fed) für das Wohlergehen der US-Konjunktur. So sei Ricchiuto zufolge jede Rezession nach dem Zweiten Weltkrieg "durch die Fed verursacht worden". Es bestehe somit eine hohe Gefahr, dass der jüngste Zinsstraffungszyklus die US-Wirtschaft auch dieses Mal in eine schwere Krise stürze - zumal der Kollaps mehrerer Regionalbanken auf Schwierigkeiten in der Finanzbranche hinweise. "Die US-Notenbank strafft immer so lange, bis etwas zerbricht", betonte Ricchiuto in einer von MarketWatch zitierten Analyse. "Die Schlüsselfrage, die die Märkte jetzt beantworten müssen, ist, mit welcher Art von Kreditverwerfung es die Wirtschaft nach dem regionalen Bankendebakel zu tun hat."

Ricchiuto: Darum wird die jüngste Bankenkrise nicht in eine Katastrophe münden

Eine systemische Kreditklemme - also ein Versiegen der Kredit­vergabe von Banken an Wirtschaftsakteure jeglicher Art - erwartet Ricchiuto jedoch nicht. Zu einer solchen Situation komme es nämlich nur dann, wenn die Wirtschaft entweder unter einem "erheblichen Missverhältnis zwischen Aktiva und Passiva" oder einem "übermässigen Bewertungsproblem bei Vermögenswerten" leide. Beides sei vor der Bankenkrise im März nicht der Fall gewesen. Vielmehr würden übereinstimmende Bilanzdaten zeigen, dass sich die Haushalte im Durchschnitt "langfristig finanziert haben und insgesamt von sehr niedrigen Schuldendienstkosten profitieren", so der Ökonom. Selbiges gelte für den Löwenanteil der Banken, die zumeist eine "gesunde Finanzlage" aufwiesen und über "grosse Reserven gegenüber Kreditverluste" verfügen würden.

Aus diesen Gründen könne aus dem Zusammenbruch der Regionalbanken nicht auf ein allgemein hohes Risiko in der Bankenbranche geschlossen werden. Vielmehr identifiziert Ricchiuto andere Ursachen für den Kollaps der SVB und der Signature Bank: "Das Chaos bei den Regionalbanken scheint eher auf schlechte Managemententscheidungen zurückzuführen zu sein, vor allem in Bezug auf das Risikomanagement des Wertpapierportfolios der Banken", so der führende Mitarbeiter von Mizuho. "Je länger die Kurzfristzinsen hoch bleiben und die Verwerfungen auf bestimmte Unternehmen und Institutionen beschränkt bleiben, desto mehr Menschen werden erkennen, dass dies kein systematischer Krisenmoment war", ordnete Ricchiuto ein.

US-Wirtschaft vor einer langen, aber "flache Rezession"

Der US-Chefökonom von Mizuho sah unmittelbar vor dem Banken-Kollaps somit keine Blasenbildung, zumal der Kapitalmarkt die Bitcoin-Übertreibungen bereits 2022 abgebaut habe. Auch wenn Ricchiuto keine akute Blasengefahr sieht, schätzte er die aktuellen Bewertungen an den US-Aktienmärkten doch als hoch ein. Seiner Ansicht nach hätten die Anleger noch nicht eingepreist, dass die bevorstehende "flache Rezession" in den kommenden Monaten erheblich an den Gewinnen der Unternehmen nagen werde. Darüber hinaus könnten sich die Kreditaufschläge infolge eines schwächeren Aktienmarktes ausweiten, was wiederum viele Unternehmen unter Druck setzen könnte, meinte Ricchiuto. Mit dieser Prognose ist Ricchiuto in guter Gesellschaft: Viele Marktkenner - wie unter anderem die bekannten US-Investoren Jeffrey Gundlach, Bill Ackman oder Ken Griffin - erwarten eine Rezession. Allerdings halten sie die Ansicht, dass die US-Konjunktur eine "sanfte Landung" erreichen werde, für allzu optimistisch.

So tief könnte der S&P 500 fallen

In Anbetracht der von Ricchiuto erwarteten "flachen, langwierigen Rezession" sieht er noch ein erhebliches Abwärtspotenzial für die US-Standardwerte, die seit Jahresbeginn - trotz einer durchaus kritischen Nachrichtenlage - eine breite Aufwärtsbewegung hinlegten. Den aktuellen S&P 500-Stand von 4.154,52 Punkten (Stand: Schlusskurs vom 19. April 2023) bewertet Ricchiuto als zu hoch, er erwartet eine Abwärtsbewegung bis auf die 3'700-Punkte-Marke. Vom aktuellen Kursstand würde dies ein Minus von etwas mehr als zehn Prozent implizieren. Für eine mittelfristige Entlastung werde indes das Ende des Zinserhöhungszyklus der Fed sorgen: Nach noch einer oder eventuell zwei Erhöhungen werde die US-Zentralbank - nicht zuletzt wegen der Bankenverwerfungen - die Straffungsphase beenden, prognostizierte Ricchiuto. Dennoch werde die US-Konjunktur auch in den nächsten Quartalen durch das hohe Zinsniveau ausgebremst.

Redaktion finanzen.ch

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Bildquelle: Immersion Imagery / Shutterstock.com,Lightspring / Shutterstock.com

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