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Schwierige Beziehungen 12.05.2022 23:07:00

Was die Wiederwahl Macrons für die Schweiz bedeutet

Was die Wiederwahl Macrons für die Schweiz bedeutet

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Frankreich waren in den vergangenen Monaten alles andere als harmonisch: Der Bundesrat brach die Verhandlungen zum EU-Rahmenabkommen ab und bestellte den US-Kampfflieger F-35 anstelle der französischen Rafale. In der Wiederwahl des europafreundlichen Macrons könnte aber auch eine Chance für die Eidgenossenschaft liegen.

• Schweizerisch-französische Beziehungen derzeit kompliziert
• Macrons Priorität ist die EU - Schweiz steht an zweiter Stelle
• Eine Schweizer Wiederannäherung an die EU würde auch Beziehungen zu Frankreich stärken

Emmanuel Macron gewann mit einer Mehrheit von 58,54 Prozent der Stimmen die Stichwahl vom 24. April gegen die rechtsgerichtete Marine Le Pen und wird somit bis 2027 französischer Präsident bleiben. Anders als seine Konkurrentin bekennt sich Macron offen zur EU und will die intereuropäische Zusammenarbeit stärken. Da könnte die Schweiz aussen vor bleiben - es sei denn, die Eidgenossenschaft verbessert die problematischen Beziehungen sowohl zu Frankreich als auch zur EU im Allgemeinen.

Schweizerisch-französische Beziehungen von Verstimmungen geprägt

Die einst guten Partner Frankreich und Schweiz haben sich in den vergangenen Monaten entfremdet. Zwar teilen die beiden Staaten viele Werte, auch der interkulturelle Austausch ist vor allem dank der frankophonen Romandie intensiv. Ebenfalls sind die wirtschaftlichen Verbindungen eng: 180'000 Franzosen arbeiten in der Schweiz, schreibt die "Neue Zürcher Zeitung".

Allerdings haben sich die schweizerisch-französischen Beziehungen politischer Art jüngst merklich abgekühlt, betont der Professor für europäische Studien Gilbert Casasus von der Universität Freiburg, wie cash berichtet. Frankreich habe einen doppelten Kinnhaken einstecken müssen: Im Mai 2021 brach der Schweizer Bundesrat die Verhandlungen zu dem geplanten institutionellen Rahmenabkommen mit der EU einseitig ab, nur wenige Wochen später entschied sich der Bundesrat für den Kauf des US-Kampffliegers F-35 anstelle der französischen Rafale. So nimmt es wenig wunder, dass Frankreich sich über die Entscheidungen der Bundesräte empörte. Pascal Sciarini, Politologieprofessor an der Universität Genf, hebt denn auch hervor, dass Frankreich weniger empfänglich für die Anliegen der Schweiz als andere Nachbarländer, etwa Österreich sei, berichtet cash.

Macrons aussenpolitisches Hauptaugenmerk liegt auf der EU

Wie der französische Präsident auch in dem diesjährigen Wahlkampf mehrfach betonte, liegt seine aussenpolitisches Priorität auf der Kooperation innerhalb der EU. Besonders seitdem Merkel nicht mehr das Bundeskanzleramt innehat, sei Macron der starke Mann Europas, erklärt Casasus laut cash. Macron werde sich auf der aussenpolitischen Bühne profilieren wollen, besonders in der Europapolitik. Die Schweiz stehe deshalb - besonders nach den jüngsten Affronts - im Abseits. Bezeichnenderweise stattete Macron der Schweiz im Gegensatz zu seinem Vorgänger Hollande bislang noch keinen einzigen Staatsbesuch ab. An Macrons Desinteresse dürfte sich in naher Zukunft kaum etwas ändern. Anders wäre es wohl bei einer Wahl von Le Pen verlaufen, wie das "St. Galler Tagblatt" vermutet. Die EU-Skeptikerin habe ihre Bewunderung für die Schweizer Direktdemokratie häufig kundgetan und hätte wohl eine Wiederannäherung vorangetrieben.

Droht die Schweiz auf das Abstellgleis zu geraten?

Für Casasus sei nach der Wiederwahl Macrons jetzt die Schweiz an der Reihe, die Bemühungen für bessere Beziehungen zum grossen Nachbarland zu verbessern. Der Bundesrat müsse seine Einstellung gegenüber der EU klären und in Richtung einer aktiveren Position überdenken. Dabei müsse sich die Schweiz an Macron anpassen, so der Professor laut cash. Ein effektiver Weg bestünde im kulturellen Dialog: Die Stärkung frankophoner Positionen innerhalb der Schweiz hätte eine positive Signalwirkung, erwarte Casasus. Die diplomatischen Beziehungen seien dagegen weniger planbar, da sie von exogenen Einflussfaktoren wie dem Ukraine-Krieg abhingen.

Sciarini sieht die Schweizer Herausforderungen ähnlich wie sein Professorenkollege: Die Schweiz drohe auf das Abstellgleis zu geraten. Die internen EU-Fragen hätten eine solche Bedeutung, dass die EU-Staaten dem kleinen Nachbarland Schweiz laut Sciarini wenig Energie widmen wollten. Deshalb rechne der Politologe auch nicht mit einem baldigen Linienwechsel in den bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und Frankreich. Ebenfalls dürften sich die ökonomischen Rahmenbedingungen nicht über Nacht ändern. Die Schweiz werde sich folglich bemühen müssen, die wichtigen Beziehungen zu den EU-Nachbarländern positiver zu gestalten. Immerhin sieht die "Neue Zürcher Zeitung" Anzeichen einer Verbesserungen der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU: Die Zeit heilt - vor allem im schnelllebigen politischen Geschäft - scheinbar doch viele Wunden.

Die EU ist mit Abstand grösster Handelspartner der Schweiz

Tatsächlich sind langfristig gute Beziehungen zu den EU-Staaten auch für das wirtschaftliche Wohlergehen der Schweiz von grosser Bedeutung. Nach Angaben des Schweizer Bundesamt für Statistik kamen 2020 mit 49,8 Prozent fast die Hälfte der Schweizer Importe aus dem EU-Ausland und 40,8 Prozent der Schweizer Exporte fanden 2020 ihre Abnehmer in den damals noch 28 EU-Staaten (inklusive dem Vereinigten Königreich). Damit rangiert die EU in der Schweizer Handelsstatistik deutlich vor den USA oder China.

Das "St. Galler Tagblatt" geht denn auch davon aus, dass einige Schweizer Unternehmen angesichts der Wiederwahl Macrons laut aufgeatmet haben dürften: Der Präsident steht für die Stabilität der Zusammenarbeit in Europa - unter Le Pen wären dagegen unvorteilhafte Eingriffe in die wirtschaftlichen Beziehungen wahrscheinlich gewesen.

Redaktion finanzen.ch

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