Bullenmarkt |
10.04.2024 22:12:00
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Starke Überhitzung an den Börsen? UBS-Marktstratege warnt vor Kursrücksetzer - "Casinostimmung"
Die internationalen Märkte eilen im laufenden Bullenmarkt von Rekordhoch zu Rekordhoch. Anleger scheinen immer gieriger zu werden, ein Analyst spricht gar von einer "Casinostimmung". Die Gefahr eines Rücksetzers steigt - auch in der Eidgenossenschaft.
• Haltedauer der Anleger so gering wie noch nie - Börsen wie Casinos?
• Aktienquote der Anleger erreicht historische Rekordstände
Die heimischen Anleger hatten in den vergangenen Monaten allen Grund zur Freude. Zwar markierte der heimische Leitindex SMI noch kein neues Allzeithoch - dieses datiert noch vom 30. Dezember 2021 (12'980,14 Punkte) -, doch immerhin gewann das eidgenössische Börsenbarometer im laufenden Jahr mehr als drei Prozent an Wert. Noch viel deutlicher bergauf ging es beim DAX (plus 7,91 Prozent) oder beim S&P 500 (plus 9,05 Prozent, Stand sind jeweils die Schlusskurse vom 9. April 2024). Von Analystenseite werden verschiedene Gründe für die Börseneuphorie genannt: Der Rückgang der Inflation, die Aussicht auf weltweit sinkende Leitzinsen, das bisherige Ausbleiben einer US-Rezession oder auch langfristige Produktivitätsfortschritte dank der boomenden KI-Technologie. Nach den jüngsten Kurssprüngen mehren sich aber auch die mahnenden Stimmen.
UBS-Stratege Garthwaite: Börsen stark überkauft
So warnte der UBS-Marktstratege Andrew Garthwaite, der früher für die Credit Suisse tätig war und von der einzig verblieben Schweizer Grossbank übernommen wurde, vor allzu irrationalem Überschwang. Der im Londoner Büro der UBS sitzende Experte warnte vor einem möglichen Börsenrücksetzer. Der Grund: Seine taktischen Indikatoren seien mittlerweile im extrem überkauften Bereich angelangt, wie "cash.ch" aus seiner Studie entnahm. Das spreche für eine Kurskorrektur der internationalen Börsen, der sich auch der Schweizer Markt wohl nicht entziehen könnte. Jedoch erwartet Garthwaite vorerst keine allzu beunruhigenden Zeiten: Die Rückgänge dürften insgesamt eher moderat ablaufen - mit einer grösseren Kurskorrektur von mehr als fünf Prozent rechnet der UBS-Stratege nicht.
Haltedauer bei Aktien stark gesunken - Rekordtiefstand
Deutlich beunruhigender sind da schon die Statistiken der US-Beratungsfirma Refinitiv. Nach einer Erhebung unter den amerikanischen Aktienmarktteilnehmern kamen sie zu dem Ergebnis, dass die durchschnittliche Haltedauer für Aktien an der New York Stock Exchange (NYSE) in den vergangenen Monaten extrem gesunken ist. Mittlerweile liege sie nur noch bei wenigen Monaten - das bedeutet Refinitiv zufolge den niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1929, dem Beginn der verhängnisvollen Weltwirtschaftskrise. Der aktuelle Wert wurde demnach selbst zu Zeiten der Dotcom-Blase zu Beginn des Jahrtausends, als die durchschnittliche Haltedauer immerhin mehr als ein Jahr betrug, nicht erreicht.
Werden die Anleger immer ungeduldiger?
Allgemein zeige sich nach den Höhepunkten in den 1960er-Jahren, als die Haltedauer noch bei mehr als acht Jahren gelegen hatte, eine abnehmende Tendenz. Seit den 1990er-Jahren lag der Wert in keinem Jahr mehr über drei Jahren. Die Aktionäre scheinen immer weniger einer Buy-and-Hold-Strategie zu folgen, sondern schichten ihr Depot immer häufiger um. Dies ist zwar per se kein Grund für einen Rücksetzer. Allerdings könnte eine verkürzte Haltedauer darauf hindeuten, dass Anleger immer "zittrigere Hände" bekämen und beim Ausbleiben von schnellen Gewinnen ihre Aktien wieder schnell loswerden wollen.
Andersherum können sich Kurszuwächse bei einzelnen Aktien wie auch beim breiten Gesamtmarkt durch einen stärkeren Herdentrieb noch deutlich weiter verstärken. Die Folge ist somit eine höhere Volatilität in beide Richtungen. Aus diesem Grund sprach der "cash Insider" von einem "Anflug von Casino-Stimmung" an den globalen Aktienmärkten. Auch an der Schweizer Börse SIX ist das Handelsvolumen im März spürbar angestiegen.
Goldman Sachs-Analyse: Aktienquote in den USA sehr hoch
Weitere Anzeichen für eine Überhitzung an den internationalen Börsen legen neue Berechnungen der US-Investmentbank Goldman Sachs nahe. Demnach ist die durchschnittliche Aktienquote der Privathaushalte in den USA auf 49 Prozent des Gesamtvermögens gestiegen. Seit 2009 entspricht dies mehr als einer Verdoppelung, lag die Quote zu diesem Zeitpunkt doch noch bei 22 Prozent. Der heutige Wert ist somit historisch hoch, zuletzt wurde 2001 eine Aktienquote von 49 Prozent erreicht. Ebenso wie die Refinitiv-Analyse macht dies klar: Die Börsianer sind in Hochstimmung - doch bekanntlich kommt Überschwung oft vor dem Fall. Folglich sollten sich Anleger trotz allgemein guter Aussichten an den Aktienmärkten nicht wundern, wenn es demnächst zumindest zu einer kurzzeitigen Korrektur käme.
Buffett bedauert "casinoähnliches Verhalten"
Der "cash Insider" ist derweil nicht der einzige Marktbeobachter, der casino-ähnliche Tendenzen an den internationalen Aktienmärkten sieht. So bedauerte zuletzt kein Geringerer als Börsenlegende Warren Buffett den mangelnden langfristigen Blick vieler Anleger bei ihren Aktieninvestments. Ende Februar beschrieb das "Orakel von Omaha" die seines Erachtens erheblichen Veränderungen der Investmentlandschaft in den vergangenen Jahrzehnten. "Obwohl der Aktienmarkt massiv größer ist als in unseren Anfangsjahren, sind die aktiven Teilnehmer von heute weder emotional stabiler noch besser ausgebildet als zu meiner Schulzeit", klagte der Berkshire-Chef in seinem Aktionärsbrief. "Aus welchen Gründen auch immer, zeigen die Märkte heute ein viel casinoähnlicheres Verhalten als zu meiner Jugendzeit. Das Casino wohnt jetzt in vielen Häusern und lockt täglich die Bewohner an."
Damit folgte Buffett den Äußerungen seines langjährigen Partners Charlie Munger, der am 28. November 2023 kurz vor seinem 100. Geburtstag verstarb. Munger hatte in seinen kernigen Börsenkommentaren immer wieder vor einer "Casinostimmung" an den Börsen gewarnt. Vermutlich würde sich Munger durch die neuesten Statistiken, die einen Überschwang unter den Anlegern anzeigen, bestätigt sehen und neuerliche Exzesse an den Märkten anprangern.
Redaktion finanzen.ch
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