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Expertenkolumne 16.09.2024 11:47:02

Stehen die USA vor einer Rezession?

Stehen die USA vor einer Rezession?

Die lange erwartete US-Rezession ist bislang ausgeblieben. Jetzt mehren sich jedoch die Anzeichen, wie die Sahm-Regel

Stehen die USA vor einer Rezession?

Nach dem Anfang August veröffentlichten schwachen US-Arbeitsmarktbericht gibt es zunehmend Zweifel an einer sanften Landung. Damit rückt eine zentrale Frage zurück in den Fokus: Wie wahrscheinlich ist eine Rezession in den USA?

Vor 18 Monaten gingen die meisten Prognosen - meine eingeschlossen - von einer Rezession in den USA aus. Die folgende Grafik fasst die Gründe dafür zusammen: Die Federal Reserve (Fed) hatte zu diesem Zeitpunkt gerade einen der schnellsten und aggressivsten Zinserhöhungszyklen der Geschichte hinter sich gebracht. Wenn die Fed derart auf die Bremse tritt, ist eine sanfte Landung allerdings eher selten; häufiger kommt es vor, dass die US-Wirtschaft mit einem unangenehm abrupten Ruck zum Stehen kommt. Manchmal dauert es Wochen, manchmal Jahre, bis eine Politik diese Wirkung zeigt. Diese Verzögerungen variieren in ihrer Länge und lassen sich von daher weniger gut prognostizieren.

Bislang zeigte die US-Wirtschaft eine ausserordentliche Widerstandsfähigkeit. Die US-Privathaushalte konnten beispielsweise die Zinssensitivität der Wirtschaft verringern, indem sie sich für ihre Hypotheken niedrige Zinssätze für 30 Jahre sicherten. Die Verbraucher*innen konnten zudem auf die während der Pandemie angesparten Rücklagen zurückgreifen, während parallel verschiedene staatliche Konjunkturprogramme wie der CHIPS Act, der JOBS Act oder der Inflation Reduction Act dafür sorgten, dass die Fiskalpolitik das Wachstum weiterhin massiv unterstützt. Doch viele Ökonom*innen - und da zähle ich mich ebenfalls dazu - sind nach wie vor äusserst besorgt, dass die andauernden "variablen Verzögerungen" der US-Wirtschaft künftig Probleme bereiten könnten. Und nun stellten die jüngsten Lohn- und Gehaltsabrechnungen die These einer sanften Landung in Frage. Dies erregte insbesondere deshalb so viel Aufmerksamkeit, weil der Anstieg der Arbeitslosigkeit die "Sahm-Regel" auslöste.

Die Sahm-Regel wurde nach ihrer Erfinderin Claudia Sahm benannt. Diese zeigt, wie sich der gleitende Dreimonatsdurchschnitt der Arbeitslosenquote im Verhältnis zum Tiefststand der letzten 12 Monate verhält. Im Wesentlichen lässt sich damit also die Dynamik der steigenden Arbeitslosenzahlen verfolgen. Wenn dieser Wert in der Vergangenheit 0,5 Prozentpunkte erreichte, befanden sich die USA in einer Rezession oder standen kurz davor.

Aufgrund der jüngsten Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt könnte dieser Indikator aktuell aber weniger verlässlich als in der Vergangenheit sein. Erstens könnte der schwere Hurrikan Beryl, der Anfang Juli so früh wie noch nie die Hurrikansaison einläutete, die Ergebnisse beeinträchtigt haben. Vielleicht noch wichtiger ist aber die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit nicht zuletzt deshalb steigt, weil so viele neue Beschäftigte auf den Arbeitsmarkt drängen. Der Anteil der US-Beschäftigten nimmt stetig zu, und auch die Einwanderung in die USA war in den letzten beiden Jahren aussergewöhnlich hoch.

Gleichwohl würden wir ein Rezessionsrisiko nicht völlig ausschliessen, weil sich das Wachstum der US-Wirtschaft verlangsamt. Diese Abkühlung war nach dem heftigen Konsumboom in den Jahren nach der Pandemie zu erwarten. Jetzt, da die pandemiebedingten Ersparnisse weitgehend aufgebraucht sind, zeigen sich erste Anzeichen von Stress - insbesondere bei den unteren Einkommensgruppen.

Und so sind die Märkte hinsichtlich der Rezessionsgefahr möglicherweise etwas zu sorglos geworden. Tatsächlich schienen die Preise zu bestimmten Zeitpunkten im ersten Halbjahr eher mit einem "No-Landing-Szenario" als mit einer sanften Landung vereinbar zu sein - was fast zu schön wäre, um wahr zu sein. Daher ist die Tatsache, dass der Aktienmarkt einen leichten Rückschlag erlitt, nicht allzu überraschend.

Ich mache mir derzeit allerdings keine Sorgen, dass die Entwicklung besonders dramatisch werden könnte. Anleger*innen fokussieren sich zwar zumeist auf die Frage, ob es zu einer Rezession kommt oder nicht. Tatsächlich wäre die wichtigere Frage jedoch, ob der Wirtschaft eine längere oder anhaltende Rezessionsphase droht. Die Märkte nehmen Gewinnrückgänge von 5 oder sogar 10 Prozent in der Regel hin, sofern eine Erholung in Sicht ist. Und so sind es eher die Phasen mit Verlusten von mehr als 20 Prozent, die bedenklich sind.

Für eine solche grössere Kontraktion sehe ich derzeit allerdings keine Grundlage. Rücksetzer folgen auf Boomphasen, insbesondere wenn diese mit zu grossen Schulden einhergehen. Zu einem Besorgnis erregenden Boom ist es zuletzt allerdings nicht gekommen. Vielmehr haben sowohl die privaten Haushalte als auch die Unternehmen in den USA in den letzten Jahren ihre Schulden sogar abgebaut. Und so hat lediglich die Regierung in jüngster Zeit die Verschuldung weiter vorangetrieben. Aktuell sind auch keine grösseren Einsparungen geplant - im Mittelpunkt der US-Wahlkampfdebatte steht eher die Frage nach mehr und nicht nach weniger fiskalischen Anreizen.

Stehen die USA also vor einer Rezession? Ich würde es nicht absolut ausschliessen, aber wenn es passiert, denke ich, dass diese schwach und kurz ausfallen wird.

Von Karen Ward, Chief Market Strategist EMEA

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